© Freepik | Nuraghies © Freepik | Nuraghies

Buchtipp: „Outlive“ von Dr. Peter Attia

Dr. Peter Attia liefert mit seinem Buch „Outlive“ praktische, wissenschaftlich fundierte Ansätze für ein langes, gesundes Leben – mit erfrischend, persönlichen Einsichten.

Langlebigkeit, Biohacking und Co. – die Bücherregale und das Internet sind voll mit Ideen, wie wir alle 120 Jahre alt werden, viele davon jedoch in Verbindung mit einem (manchmal gar nicht so) unterschwelligen Verkaufsgespräch. Wenn du diese Nahrungsergänzungsmittel nimmst, dann… Wenn du diesen neuartigen Scan machen lässt, dann… Es gibt auch wissenschaftliche Erkenntnisse, die uns Richtungen aufzeigen, die unser Leben mit einfachen Mitteln verändern können, wie beispielsweise die Blue Zones, auch wenn auch hier zu bemerken ist, dass es sich dabei um ökologische Daten handelt, die weiter langfristig erforscht werden müssen. Aber sobald eine Person ein Buch zu dem Thema schreibt, sind viele, besonders jene, die in der Gesundheitsbranche tätig sind, skeptisch. Welche völlig neue Wunderwaffe soll mir hier schon wieder verkauft werden?

Keine Abkürzungen am Weg zum langen Leben

Dr. Peter Attias Bestseller „Outlive“ ist erfrischend anders, denn schon zu Beginn des Buches lernt man schnell Attias Zugang zum Thema Langlebigkeit: Im Leben und besonders wenn es um das Thema Gesundheit geht, gibt es kaum bis keine schnellen Lösungen. Wer lange und gesund leben möchte, muss Zeit und Arbeit investieren. Der oftmals vorherrschende Wunsch nach einer Pille, die alle Probleme im Handumdrehen löst, ist nicht ausreichend. Attia führt aus, dass unsere Gene und unsere Biologie nicht mit der Veränderung unserer Umwelt Schritt halten können, wie z. B. dem Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel oder einer vorwiegend sitzenden Lebensweise. Bewegung ist in seinen Augen entscheidend, sowohl in Richtung Kraft als auch in Ausdauer.

Prävention und die vier apokalyptischen Reiter

Ein weiterer wichtiger Punkt, den Attia kritisiert, ist der Umstand, dass wir immer noch viel mehr auf die Behandlung als auf die Vorbeugung von Krankheiten setzen, obwohl auch schon wissenschaftlich aufgezeigt werden konnte, dass Vorbeugung besser und billiger für die Gesellschaft wäre. Attia beschäftigt sich mit den häufigsten Krankheiten, die verhindern, dass wir alt und vor allem gesund alt werden. Denn der Fokus sollte nicht so sehr auf der Länge des Lebens, sondern auf der Anzahl der gesunden Lebensjahre liegen. Er nennt die größten gesundheitlichen Probleme „The Four Horsemen”: atherosklerotische Erkrankungen, die beispielsweise zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen können, Krebs, neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes. Die Kernlösungen für Gesundheit und gesunde Langlebigkeit sind für Attia zusammengefasst: Ernährung, Bewegung, Schlaf, Stressabbau und geistige Gesundheit.

Medizin 3.0 und Utopien, die Hoffnung machen

Letzterer Punkt ist ein Aspekt, der das Buch von vielen anderen unterscheidet und sich auch vielen Leserinnen und Lesern, die selbst in der Gesundheitsbranche tätig sind, aus der Seele spricht. „Outlive“ ist ein über die Maßen persönliches Buch. Ein großer Teil des Buches lässt dies nicht vermuten, da er sehr sachlich die Erkenntnisse und Forschungen zum Thema Langlebigkeit darlegt, die Attia im Laufe seiner Karriere gewonnen hat. Er kreiert den Wunsch nach einer Medizin 3.0, die vor allem angesichts der Tatsache, dass er US-Amerikaner ist und die Wünsche, die er für die medizinische Diagnostik und Vorsorge vorbringt, im Gesundheitssystem der USA vermutlich für 90 Prozent der Menschen unerschwinglich sind, utopisch wirkt. Auch von einer Umsetzung im europäischen Raum sind wir wohl noch weit entfernt. Doch wie in vielen Bereichen des Lebens ist es manchmal nötig, eine Utopie zu erschaffen, um wenigstens ein Drittel der Dinge, die darin vorgeschlagen werden, in naher Zukunft umzusetzen.

Einblicke in die mentale Gesundheit

Persönlich wird es am Ende des Buches. Peter Attia spricht mit großer Offenheit über seine eigene psychische Gesundheit, persönliche Dämonen, aber auch gesellschaftliche Tendenzen im Bereich der mentalen Gesundheit:

„It’s a two-way street between emotional and physical health. In my own practice, I witness firsthand how many of my patients’ physical and longevity issues are rooted in, or exacerbated by, their emotional health. I see it on a daily basis. It is harder to motivate a patient who is feeling depressed to go and start an exercise program; someone who is overstressed at work and miserable in their personal life may not see the point of early cancer screening or monitoring their blood glucose levels. So they drift along, as their emotional misery drags their physical health down along with it.“

Peter Attia kombiniert auf gekonnte Weise Forscherdrang, ein fundiertes Wissen zum Thema Langlebigkeit, mit einem manchmal utopisch erscheinenden, aber sicher notwendigen Idealismus und einem Blick von außen auf die Welt der Gesundheit. Er ist zugleich In- und Outsider, was neue Facetten in die Entdeckung der Langlebigkeit bringt. Dabei ist er ehrlich, authentisch und mit sehr viel Offenheit, die, besonders in Bezug auf psychische Gesundheit, so wichtig ist. Für ein langes, aber vor allem für ein gutes Leben.

Header © Freepik | Nuraghies