Das MTD-Gesetz 2024 stärkt die Kompetenzen und Eigenverantwortung der MTD-Berufe. Erfahre mehr über die wichtigsten Neuerungen in den Bereichen Diätologie, Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie.
Seit September 2024 ist das neue MTD-Gesetz in Österreich in Kraft. Es betrifft die sieben Berufsgruppen, die zu den gehobenen medizinisch-technischen Diensten zählen. Das sind unter anderem die Bereiche Diätologie, Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. Der wesentliche Unterschied zur alten Gesetzgebung liegt vor allem in der Erweiterung der Kompetenzen und Spezialisierungen der MTD-Berufe. Das neue MTDG 2024, wie das neue MTD-Gesetz auch genannt wird, berücksichtigt die aktuellen Anforderungen des Gesundheitssystems und stärkt die Eigenverantwortlichkeit der Berufsgruppen.
Ein markanter Punkt im neuen Gesetz ist die Möglichkeit, dass Angehörige der Berufe ohne ärztliche Anordnung arbeiten dürfen, insbesondere im Bereich der Sekundärprävention. Das bedeutet, dass sie eigenständig Diagnosen stellen und präventive Maßnahmen durchführen können. Des Weiteren bietet das MTDG 2024 die Grundlage für Spezialisierungen innerhalb der MTD-Berufe, die in Zukunft durch Masterstudiengänge gefördert werden sollen. Auch wenn von den Berufsverbänden verpasste Chancen kritisiert werden, geht das neue Gesetz in vielen Punkten in die Richtung einer flexibleren, spezialisierten und patientenorientierten Gesundheitsversorgung.
Wir fassen für dich die Definitionen der Berufsbilder und Kompetenzen von Diätologie, Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie sowie die Neuerungen des MTDG 2024 zusammen.
Gesetzesbezeichnung und Gliederung
Das Gesetz heißt nun „Bundesgesetz über die gehobenen medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe (MTD-Gesetz 2024 – MTDG)“.
Der Gesetzestext ist in drei Hauptstücke gegliedert. Im ersten Hauptstück werden die Berufsbilder und Kompetenzbereiche der MTD-Berufsgruppen erstmals einzeln aufgeschlüsselt. Im zweiten Hauptstück werden die allgemeinen Regelungen, die alle MTD-Berufe betreffen, also beispielsweise Berufspflichten und -berechtigungen ausgeführt. Das dritte Hauptstück widmet sich den Schlussbestimmungen, die beispielsweise Strafbestimmungen und Übergangsregelungen beinhalten.
Bereich Diätologie
Berufsbild und Kompetenzen
Der Beruf umfasst die ernährungsmedizinische Behandlung und Beratung zur Erhaltung, Förderung, Verbesserung und Wiederherstellung des Gesundheitszustandes einschließlich Ernährungs- und Verpflegungsmanagement. Dazu gehören das Assessment, die fachspezifische Diagnose, Zielsetzung, Planung und Durchführung der Interventionen sowie die Evaluierung und Reflexion. Des Weiteren liegt im Kompetenzbereich die Mitwirkung an sowie die Durchführung und Evaluierung von Assessments und Screeningverfahren einschließlich einer diätologischen Befundung sowie die Verabreichung von Arzneimitteln und die Anwendung von Medizinprodukten.
Eigenverantwortung und Zusammenarbeit
Diätologinnen und Diätologen werden nach ärztlicher oder zahnärztlicher Anordnung eigenverantwortlich tätig. Erstmals wird auch der Zugang zur Ernährungstherapie im Bereich der Primär- und Sekundärprävention ohne ärztliche Anordnung möglich. Als Sekundärprävention werden Früherkennung, Vermeidung und frühe Behandlung von Krankheiten verstanden.
Bereich Ergotherapie
Berufsbild und Kompetenzen
Der Beruf umfasst ergotherapeutische Maßnahmen zur Entwicklung, Erhaltung, Förderung, Verbesserung oder Wiedererlangung der individuellen Handlungsfähigkeit. Dazu gehören die Anamnese in Bezug auf die Handlungsfähigkeit und Handlungsmöglichkeiten, die fachspezifische Diagnostik und Diagnosestellung inklusive relevanter Befundungsverfahren, die Festlegung von handlungs- und partizipationsorientierten Zielen, die Durchführung der Interventionen, die Evaluierung und Reflexion. Des Weiteren liegt die Mitwirkung an sowie die Durchführung und Evaluierung von Assessments und Screeningverfahren einschließlich ergotherapeutischer Befundung im Kompetenzbereich. Auch die Verabreichung von Arzneimitteln und die Anwendung von Medizinprodukten im Rahmen des ergotherapeutischen Prozesses zur Erreichung der festgelegten Ziele zählen zu den Kompetenzen der Ergotherapeutinnen und -therapeuten.
Eigenverantwortung und Zusammenarbeit
Ergotherapeutinnen und -therapeuten werden nach ärztlicher Anordnung und auch im Bereich der Gesundheitsförderung und der Primär- und Sekundärprävention in intra- und extramuralen, also stationären oder ambulanten Settings, auch ohne Anordnung eigenverantwortlich tätig.
Bereich Logopädie
Berufsbild und Kompetenzen
Der Beruf umfasst logopädische und audiometrische Maßnahmen zur Erhaltung, Förderung, Verbesserung und Wiedererlangung der Nahrungsaufnahme, des Schluckens und der individuellen Kommunikationsfähigkeit. Dazu gehören Anamnese und Analyse, Befundungsverfahren inklusive Diagnostik, die Festlegung von Zielen, die Planung und Durchführung von Interventionen sowie die Evaluierung und Reflexion. Weiters liegen die Mitwirkung an sowie die Durchführung und Evaluierung von Assessments und Screeningverfahren einschließlich logopädischer Befundung sowie die Verabreichung von Arzneimitteln und die Anwendung von Medizinprodukten im Kompetenzbereich.
Eigenverantwortung und Zusammenarbeit
Logopädinnen und Logopäden werden nach ärztlicher Anordnung und auch im Bereich der Gesundheitsförderung und der Primär- und Sekundärprävention in intra- und extramuralen, also stationären oder ambulanten Settings auch ohne Anordnung eigenverantwortlich tätig.
Bereich Physiotherapie
Berufsbild und Kompetenzen
Der Beruf umfasst die Ausübung aller physiotherapeutischen Maßnahmen unter besonderer Berücksichtigung funktioneller Zusammenhänge auf den Gebieten der Therapie, Rehabilitation und Prophylaxe, einschließlich Gesundheitserziehung. Dazu gehören Anamnese und Analyse, fachspezifische Befundungsverfahren inklusive Diagnosestellung, die Festlegung von Zielen, die Planung und Durchführung von Interventionen sowie die Evaluierung und Reflexion. Des Weiteren liegt nun auch die Mitwirkung an sowie die Durchführung und Evaluierung von Assessments und Screeningverfahren einschließlich physiotherapeutischer Befundung im Kompetenzbereich. Auch die Verabreichung von Arzneimitteln und die Anwendung von Medizinprodukten im Rahmen des physiotherapeutischen Prozesses zur Erreichung der festgelegten Ziele zählen nun zu den Kompetenzen der Physiotherapeutinnen und -therapeuten.
Eigenverantwortung und Kompetenzen
Physiotherapeutinnen und -therapeuten werden nach ärztlicher oder zahnärztlicher Anordnung und im Bereich der Gesundheitsförderung und der Primär- und Sekundärprävention in intra- und extramuralen, also stationären oder ambulanten Settings, auch ohne Anordnung eigenverantwortlich tätig. Eine weitere Neuerung ist die explizite gesetzliche Festlegung, dass Physiotherapeutinnen und -therapeuten die Aufsicht über medizinische Masseurinnen und Masseure ausüben dürfen. Dies stellt eine wichtige Anpassung dar, die Physiotherapeutinnen und -therapeuten mehr Verantwortung über andere Gesundheitsberufe verleiht.
Info
Bei allen Berufsbereichen ist bei der Anwendung von Arzneimitteln und der Anwendung von Medizinprodukten unbedingt zu beachten, dass sie „lege artis“ ausgeführt werden. Es reicht nicht aus, dass das Dürfen gesetzlich festgeschrieben ist. Die Person, die die Anwendung ausführt, muss auch explizit dazu befähigt sein. Sollte das Können und Wissen in diesem Bereich nicht bestehen, handelt es sich um Einlassungsfahrlässigkeit.
Allgemeine Kompetenzen der MTD-Berufe
Angehörige der medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Gesundheitsberufe besitzen umfassende allgemeine Kompetenzen, die über ihre eigentlichen Tätigkeitsbereiche hinausgehen. Dazu gehören die Sicherung, Kontrolle und Weiterentwicklung der Qualität, einschließlich der Ausarbeitung fachlicher Standards und Leitlinien, auch im Bereich des Klimawandels. Sie können als Sachverständige Gutachten erstellen und Auszubildende in Gesundheits- und Sozialberufen anleiten, begleiten und bewerten. Ebenso vermitteln sie Fachwissen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Weitere Aufgaben umfassen das Wissensmanagement, die eigenständige Forschung sowie die Beratung und Aufklärung in der Gesundheitsförderung und Prävention. Sie unterstützen und begleiten Betroffene, ihre Angehörigen sowie Organisationen, erkennen Anzeichen von Gewalt und leiten an spezialisierte Hilfsangebote weiter.
Zusätzlich haben sie spezielle Notfallkompetenzen. Sie können Notfälle erkennen, Maßnahmen ergreifen und bei lebensbedrohlichen Situationen eigenständig Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen, solange kein Arzt verfügbar ist. Zu diesen Maßnahmen gehören insbesondere Herzdruckmassagen, Beatmung, Defibrillation mit halbautomatischen Geräten und die Verabreichung von Sauerstoff. Bei Notfällen muss zudem schnellstmöglich ein Arzt verständigt werden.
Gesetzliche Verankerung der Telemedizin
Erstmals wurde die Möglichkeit der Telemedizin im MTDG 2024 ausdrücklich verankert. Diese Regelung erlaubt die Anwendung telemedizinischer Maßnahmen, sofern dies aus fachlicher Sicht vertretbar ist und die medizinische Behandlung „lege artis“ erfolgt, also den geltenden Standards entspricht. Wichtig ist hierbei die Synchronizität im Behandlungsprozess, wie es auch in Rahmenvereinbarungen mit den gesetzlichen Sozialversicherungen geregelt ist. Zudem müssen Patientinnen und Patienten über die Besonderheiten der telemedizinischen Beratung und Behandlung aufgeklärt werden.
Neuerungen beim Berufssitz
Während der Begriff des „Berufssitzes“ unverändert beibehalten wurde, gibt es nun eine Neuerung hinsichtlich der maximalen Anzahl: MTD-Berufsangehörige dürfen zukünftig bis zu zwei Berufssitze im Bundesgebiet betreiben. Diese Regelung orientiert sich an ähnlichen Bestimmungen aus anderen Berufsgesetzen, wie dem Ärztegesetz.
Nutzung von Hilfspersonen
Neu ist auch, dass freiberufliche Berufsangehörige der MTD-Berufe nun offiziell Hilfspersonen, insbesondere Studierende, einsetzen dürfen, solange diese unter genauer Anleitung und Aufsicht handeln. Hierfür bedarf es jedoch einer weiteren Anpassung der Ausbildungsvorschriften, um das Praktikum auch im freiberuflichen Kontext zu ermöglichen.
Provisionsverbot
Ein bedeutendes Novum im MTD-Gesetz ist das gesetzlich festgelegte Provisionsverbot. Angehörige der MTD-Berufe dürfen weder für die Zuweisung von Patientinnen und Patienten noch für die Weiterleitung an andere Personen Provisionen versprechen oder annehmen. Verstöße gegen dieses Verbot führen zur Nichtigkeit der betreffenden Rechtsgeschäfte.
Berufshaftpflichtversicherung
Eine neue Pflicht für freiberuflich tätige Angehörige der MTD-Berufe ist der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Diese Versicherung muss vor Aufnahme der Berufsausübung abgeschlossen und während der gesamten Tätigkeit aufrechterhalten werden. Personen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des MTDG 2024 eine aufrechte Berufsberechtigung besitzen und ihren Beruf freiberuflich ausüben, müssen bis zum 31. Dezember 2024 eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen.
Spezialisierungen
Erstmals ermöglicht das MTDG 2024 auch die gesetzliche Verankerung von Spezialisierungen innerhalb der MTD-Berufe. Diese Spezialisierungen sind durch eine Verordnung des Bundesministeriums zu regeln und müssen einen Mindestumfang von 60 ECTS umfassen. Sie führen jedoch nicht zu einer Erweiterung des Berufsbildes, sondern dienen der Vertiefung von Fachwissen und -kompetenzen.
Hier findest du den kompletten Gesetzestext des MTD-Gesetz 2024
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