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Telemedizin in der Therapie-Praxis: Chancen, Technik und rechtliche Vorgaben

Telemedizin revolutioniert die Therapie – aber was ist erlaubt? Erfahre, was du zur Umsetzung brauchst und welche rechtlichen Regeln in Österreich und Deutschland gelten.

Digitale Lösungen gewinnen – vor allem auch seit der Covid-19-Pandemie – in allen Bereichen unseres Lebens an Relevanz. So auch die Telemedizin, wenn es um Therapie und Beratung geht. Wir verraten dir, was Telemedizin genau bedeutet, welche Vorteile sie bietet, wie man sie technisch umsetzt und welche rechtlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Österreich zu beachten sind – mit Fokus auf die Bereiche Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Ernährungstherapie und Diätologie.


Was ist Telemedizin und welche Vorteile bietet sie?

Telemedizin bezeichnet den Einsatz digitaler Kommunikationsmittel zur Durchführung medizinischer Dienstleistungen – von der Erstberatung über Diagnostik bis hin zu Therapiesitzungen. Dabei werden herkömmliche Behandlungsformen durch digitale Technologien ergänzt oder sogar ersetzt. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Flexibilität: Du kannst PatientInnen ortsunabhängig beraten, was besonders in ländlichen Regionen ein großer Pluspunkt ist.
  • Zugänglichkeit: Menschen, die aus Mobilitätsgründen oder wegen zeitlicher Einschränkungen nicht in eine Praxis kommen können, profitieren von der Möglichkeit, Hilfe per Video-Call oder Chat zu erhalten.
  • Effizienz: Oft lassen sich Termine einfacher koordinieren, Wartezeiten reduzieren sich und auch der Verwaltungsaufwand kann durch digitale Tools optimiert werden.
  • Erweiterung des Leistungsspektrums: Telemedizin erlaubt dir, innovative Behandlungsansätze zu integrieren, die deinen PatientInnen neue Perspektiven bieten.

Technische Umsetzung der Telemedizin

Damit du als TherapeutIn Telemedizin anbieten kannst, brauchst du natürlich das passende technische Equipment:

  • Endgeräte: Ein zuverlässiger PC, Laptop oder Tablet sowie ein Smartphone sind die Grundvoraussetzungen. Achte auf eine gute Kamera und ein hochwertiges Mikrofon, um die Kommunikation so reibungslos wie möglich zu gestalten.
  • Programme und Software: Es gibt mittlerweile zahlreiche Anbieter von Videokonferenz-Tools, die speziell für medizinische Anwendungen zertifiziert sind. Diese Programme bieten oft integrierte Funktionen für Terminverwaltung, Dokumentation und sichere Datenübertragung. Beispiele hierfür sind spezielle Plattformen, die den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprechen.
  • Internetverbindung: Eine stabile und schnelle Internetverbindung ist essenziell. Insbesondere bei Videositzungen ist eine hohe Bandbreite wichtig, um Verzögerungen oder Bildaussetzer zu vermeiden.
  • Zusätzliches Equipment: Je nach Fachrichtung kann auch spezielles Equipment notwendig sein – beispielsweise digitale Messinstrumente oder Software für spezielle Diagnostikverfahren. Informiere Dich hier über die Möglichkeiten und Anforderungen in deiner Fachdisziplin.

Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland und Österreich

Telemedizin bringt viele Chancen, aber auch spezifische rechtliche Herausforderungen mit sich. Wichtig ist, dass du in beiden Ländern – Deutschland und Österreich – bestimmte Vorgaben einhältst:

  • DSGVO-Konformität: In Deutschland und Österreich gelten die strengen Regeln der Datenschutz-Grundverordnung. Das bedeutet, dass alle personenbezogenen Daten deiner Patientinnen und Patienten besonders geschützt werden müssen. Achte darauf, dass die von dir genutzten Telemedizin-Plattformen eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung anbieten und DSGVO-konform arbeiten.
  • Serverstandorte: In vielen Fällen ist es wichtig, dass die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb der EU liegen, um den rechtlichen Anforderungen zu genügen.
  • Vertrauliche Kommunikation: Die Verschwiegenheitspflicht gilt selbstverständlich auch in der digitalen Welt. Das bedeutet, dass alle Gespräche und Datenübertragungen so abgesichert sein müssen, dass unbefugte Dritte keinen Zugriff erhalten und auch nicht während der Behandlung mithören können.
  • Haftungsfragen klären: Die Haftungsfragen bei digitalen Behandlungen müssen vorab geklärt sein. Das bedeutet, dass du in deinen Verträgen und Einwilligungserklärungen klare Regelungen zur Verantwortlichkeit im Falle technischer oder organisatorischer Fehler treffen solltest.

Spezifische Regelungen für telemedizinische Therapie in Deutschland

Seit der Covid-19-Pandemie gab es verstärkte Forderungen, Videobehandlungen dauerhaft in die Regelversorgung aufzunehmen. Der GKV-Spitzenverband und die Krankenkassenverbände setzten sich dafür ein, dass telemedizinische Leistungen als anerkannte Heilmittel gelten. Mit dem 2021 verabschiedeten Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) wurde beschlossen, dass Heilmittelerbringer – unabhängig von der Pandemie – Telemedizin anbieten können.

Nach dem Auslaufen der Covid-19-Sonderregelungen im März 2022 wurden Verhandlungen geführt, um Videotherapie dauerhaft zu etablieren. Während Physiotherapie und Ernährungstherapie den Übergang schnell vollzogen, dauerte es für Logopädie und Ergotherapie bis September bzw. Oktober 2022. Seitdem können alle großen Heilmittelbereiche Videobehandlungen anbieten.

Die neuen Regelungen definieren allerdings genau, welche Maßnahmen per Video erfolgen dürfen:

  • Physiotherapie: Bis zu 50 Prozent der Krankengymnastik-Sitzungen, begrenzte Einheiten für Bobath und Manuelle Therapie.
  • Logopädie: Keine Einschränkungen außer dem verpflichtenden Präsenztermin für die erste Sitzung.
  • Ergotherapie: Maximal 30 Prozent der Behandlungen pro Quartal, mit Ausnahme von Hausbesuchen und bestimmten Anwendungen.
  • Ernährungstherapie: Bis zu 50 Prozent der Einheiten per Video, zusätzlich eine 30-minütige telefonische Beratung abrechenbar.

Generelle Regelungen zur Durchführung

Ort der Behandlung: Die Videotherapie darf ausschließlich in den offiziell zugelassenen Praxisräumen der GKV stattfinden.

Kontinuität des Behandlers: Die Behandlung soll idealerweise durch dieselbe Therapeutin oder denselben Therapeuten durchgeführt werden – sowohl in Präsenz als auch per Video.

Keine Verpflichtung zur Videotherapie: Eine Videobehandlung darf nicht zur Bedingung für die Annahme einer ärztlichen Verordnung gemacht werden.

Alternative zur Präsenzbehandlung: Die Therapie muss jederzeit auch als persönliche Behandlung vor Ort in der Praxis möglich sein.

Einwilligungspflicht: Die Videotherapie erfordert eine vorherige, schriftliche Einwilligung der Patientinnen und Patienten. Diese müssen über den Ablauf, die verwendete Software sowie ihre Rechte aufgeklärt werden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass eine Präsenzbehandlung jederzeit möglich ist. Die Einwilligung muss in der Patientenakte dokumentiert werden.

Widerrufsrecht für beide Seiten: Sowohl TherapeutInnen als auch PatientInnen können eine Videobehandlung jederzeit ablehnen oder abbrechen. In diesem Fall muss die Therapie als Präsenzbehandlung fortgeführt werden.

Patientenzustand und Medienkompetenz: Videotherapie ist nur zulässig, wenn der oder die PatientIn sowohl körperlich als auch psychisch dazu in der Lage ist und über die notwendige Medienkompetenz verfügt, um die Therapie angemessen durchzuführen.

Zertifizierte Software: Für die Durchführung müssen ausschließlich von der GKV gelistete und zertifizierte Videodienstanbieter genutzt werden.

Schutz der Privatsphäre: Sowohl für TherapeutInnen als auch für PatientInnen muss eine störungsfreie Umgebung mit angemessener Privatsphäre gewährleistet sein.

Stabile Internetverbindung: Eine durchgängig stabile Internetverbindung ist sowohl auf der Seite der TherapeutInnen als auch der PatientInnen erforderlich.

Transparenz in Gruppenbehandlungen: Zu Beginn einer Gruppen-Videobehandlung müssen sich alle anwesenden Personen im Raum vorstellen.

Betreuungspersonen bei bestimmten PatientInnen: Bei Kindern in Betreuungseinrichtungen oder hilfsbedürftigen Personen darf die Videobehandlung nur stattfinden, wenn entweder eine Betreuungsperson während der Sitzung anwesend ist oder eine vorher benannte Ansprechperson für Rückfragen erreichbar bleibt. 

Live-Interaktion erforderlich: Die Therapie darf nicht in Form vorab aufgezeichneter Videos erfolgen. TherapeutInnen müssen live mit den PatientInnen per Video verbunden sein, um Anweisungen zu geben und Korrekturen vorzunehmen. Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) sind nicht Teil der Videotherapie. Regelmäßige Erfolgskontrollen müssen in Präsenz erfolgen.

Erstbehandlung immer in Präsenz: Die erste Sitzung eines neuen Verordnungsfalls muss zwingend als Präsenztermin stattfinden. Falls es sich nicht um die erste Verordnung des Falls handelt, kann die Therapie direkt per Video beginnen, idealerweise nachdem die Originalverordnung per Post eingegangen ist.

Verbot von Aufzeichnungen: Jegliche Video- oder Tonaufzeichnungen während der Videotherapie sind untersagt.


Spezifische Regelungen für telemedizinische Therapie in Österreich

In Österreich wurde die Möglichkeit der Telemedizin für die gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD) erstmals im MTD-Gesetz 2024 ausdrücklich verankert. Dieses Gesetz erlaubt telemedizinische Maßnahmen, sofern sie fachlich vertretbar sind und die medizinische Behandlung „lege artis“ erfolgt. Das bedeutet, dass die durchführende Person über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen muss. Andernfalls könnte es sich um Fahrlässigkeit handeln.

Bezüglich spezifischer Vorgaben für die Durchführung telemedizinischer Therapien, wie etwa die Pflicht zur physischen Präsenz bei der ersten Therapieeinheit oder Beschränkungen des Anteils digital durchgeführter Therapieeinheiten, gibt es im MTD-Gesetz 2024 keine expliziten Regelungen. Allerdings betont das Gesetz die Bedeutung der Synchronizität im Behandlungsprozess, wie sie auch in Rahmenvereinbarungen mit den gesetzlichen Sozialversicherungen festgelegt ist. Zudem müssen Patientinnen und Patienten über die Besonderheiten der telemedizinischen Beratung und Behandlung aufgeklärt werden.

Es ist ratsam, die aktuellen Rahmenvereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern sowie berufsständische Richtlinien zu konsultieren, da diese spezifischere Vorgaben enthalten können. Da die gesetzlichen Bestimmungen und Leitlinien einem ständigen Wandel unterliegen, empfiehlt es sich, regelmäßig die offiziellen Veröffentlichungen der zuständigen Behörden und Berufsverbände zu prüfen.

Mehr zu den Neuerungen des im September 2024 in Kraft getretenen neuen MTD-Gesetzes in Österreich erfährst in unserem Artikel im Bereich Politik & Recht.

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