Das Konzept Planetare Gesundheit stellt die Gesundheit unseres Planeten in direkten Zusammenhang mit der Gesundheit der Menschen. Wir zeigen dir die Grundprinzipien dieses Konzepts und Vorschläge für eine in vielfacher Hinsicht gesunde Zukunft.
Alle, die mit dem Film „Der König der Löwen“ aufgewachsen sind, haben bereits im Kindesalter gelernt, dass alles auf dieser Welt miteinander verbunden ist und sich mitunter bedingt. Für den menschlichen Körper gilt dasselbe. So wissen wir heute, welchen großen Einfluss unsere psychische Gesundheit auf die unseres Körpers haben kann und dass, wenn wir einen gesundheitlichen Problembereich angehen, oftmals die anderen mitziehen. Diesem Gedanken ist auch das Konzept „Planetare Gesundheit“ verpflichtet, das einen Zusammenhang zwischen unserer Gesundheit und der unseres Planeten herstellt.
Der ewige Kreis
Planetare Gesundheit (auf Englisch „Planetary Health“) geht davon aus, dass sich die Gesundheit der natürlichen Systeme, in denen wir leben und die die Grundlage allen Lebens bilden, maßgeblich auf unser Wohlbefinden auswirkt. Die Notwendigkeit, unsere Ökosysteme und die Umwelt zu schützen, um langfristig das Überleben und Wohlergehen der Menschheit zu sichern, wird im Konzept der Planetaren Gesundheit in den Mittelpunkt gerückt. Dabei gibt es vier wesentliche Punkte, die mitunter massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben.
Der Klimawandel
Neben extremen Wetterereignissen wie Stürmen und Starkregenfällen macht dem Menschen vor allem die steigende Hitze zu schaffen. Europa ist von immer mehr Hitzewellen aufgrund der Veränderungen im Jetstream über Eurasien – also den Starkwindfeldern zwischen Hoch- und Tiefdruckgebieten – am stärksten betroffen. Auf der Datenseite des EuroMOMO-Netzwerks zur Beobachtung von Sterblichkeitsentwicklungen zeichnet sich über die letzten Jahre ein klares Bild: Die Übersterblichkeit liegt in den Sommermonaten konstant hoch. So sieht man z. B. beim Vergleich zwischen dem Sommer 2020 und 2022, dass 2022 in Europa rund 108.000 Menschen mehr in den Sommermonaten, speziell im Juli, starben als 2020, obwohl sich die Welt damals inmitten einer Pandemie befand und es noch kaum Immunität gab.
Die Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 des Umweltbundesamtes für Deutschland kommt zu dem Ergebnis, dass es bei unverändertem Treibhausgasausstoß am Ende des Jahrhunderts in unseren Breitengraden über 40 heiße Tage, also Tage, an denen die Lufttemperatur 30 Grad Celsius oder mehr beträgt, pro Jahr geben wird. Wem das gar nicht so dramatisch erscheint, der sollte wissen, dass das durchschnittlich 28 Tage mehr sind als im Zeitraum zwischen 1971 und 2000.
Besonders von der Hitze betroffen sind Menschen mit Vorerkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen, ältere Menschen, aber auch Säuglinge, Kleinkinder, Schwangere und alle, die im Freien arbeiten oder Sport treiben. Doch nicht nur die körperliche Gesundheit oder das Alter spielen eine Rolle, auch die Wohnsituation. So sind Obdachlose, Menschen in schlechten Wohnsituationen und generell Stadtbewohner stark von den Hitzewellen betroffen. Hohe Temperaturen wirken sich nicht nur direkt auf unseren Körper aus, sondern auch im weiteren Sinne in Form von Nahrungsmittel- und Wasserknappheit.
Die Biodiversität
Artenvielfalt ist ein wesentlicher Teil des Fundaments eines funktionierenden Ökosystems und dieses wiederum wirkt sich auf die menschliche Gesundheit aus. Auch in Bezug auf Biodiversität sind die Zahlen allerdings leider sehr klar: Laut der „Roten Liste“, die jährlich von der Weltnaturschutzunion (IUCN) veröffentlicht wird, hat sich die Zahl der gefährdeten Tierarten seit dem Jahr 2000 beinahe verdreifacht. Auch hier zeigt sich, wie alles auf dieser Welt verknüpft ist, denn für eine Vielzahl der Rückgänge unter den Tierarten ist der Klimawandel verantwortlich. So schwindet z. B. durch die Eisschmelze kontinuierlich der Lebensraum der Eisbären.
Die weiteren größten Bedrohungen – vor allem für Großtiere in Afrika, Südamerika und Südostasien – sind die Wilderei, aber auch die Rodung von Regen- und Urwäldern, die den Tieren ihren Lebensraum Stück für Stück entziehen. Die Rodung wertvoller Waldgebiete wirkt sich natürlich auch auf andere Weise auf Artenvielfalt, Klima und die Lebensqualität für den Menschen aus: Wälder binden Kohlenstoff aus dem Kohlendioxid und geben Sauerstoff ab.
Die Umweltverschmutzung
Laut dem WWF Deutschland gelangen jedes Jahr zwischen 4,8 und 12,7 Millionen Tonnen Plastik in unsere Weltmeere. Besonders gefährlich ist dabei Mikroplastik, das z. B. auch in vielen Kosmetikartikeln enthalten ist und sobald es ins Wasser gelangt, von den Tieren mit Nahrung wie beispielsweise Plankton verwechselt wird. Auch herrenlose Fischernetze, in denen sich Tiere verfangen, sind ein großes Problem. Hier sind die Menschen sowohl bei der Abfallverwertung, als auch schon bei der Plastikproduktion gefragt. Laut National Geographic und Statista ist die weltweite Plastikproduktion von 2,1 Millionen Tonnen im Jahr 1950 auf 391 Millionen Tonnen im Jahr 2021 gestiegen.
Doch nicht nur die Wasser-, auch die Luftverschmutzung wird immer mehr zum Problem. Treibhausgasemissionen oder der Smog über Megacities, also Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern, wirken sich auf die Gesundheit der Menschen aus. In erster Linie in Form von Nasen- und Augenreizungen. Feinstaub jedoch kann langfristig über die Lunge ins Blut und dadurch in alle Organe gelangen. Das kann Krebs-, Herz-Kreislauf-, Atemwegs- und laut neueren Studien auch neurodegenerative Krankheiten fördern.
„The ultimate test of a man’s conscience may be his willingness to sacrifice something today for future generations whose words of thanks will not be heard.“
Gaylord Nelson
Die Ernährung
Wenn es um die Nahrungsmittelverteilung auf unserer Welt geht, herrscht eine frappante Schieflage. Laut der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit haben heute rund drei Milliarden Menschen keinen Zugang zu gesunder Ernährung und 800 Millionen sind unterernährt. Demgegenüber stehen immer mehr hochverarbeitete Lebensmittel und ein hoher Anteil an tierischen Produkten in den reichen Ländern der Welt. Diese Ernährungsweise fördert bei vielen Menschen Übergewicht und chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Herz-Kreislauf-Störungen oder Krebs. Sie hat aber auch Auswirkungen auf das Klima, denn die Lebensmittelproduktion ist weltweit für rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Einen ähnlichen Prozentsatz finden wir übrigens leider auch, wenn es um die Nahrungsmittel geht, die weltweit jährlich weggeworfen werden. Auch die vorhin bereits angesprochene Rodung von Wäldern findet oftmals zur Erschließung zusätzlicher Agrarflächen statt. Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang ist die Überfischung, die das Gleichgewicht der Weltmeere immer mehr ins Schwanken bringt. Die Bedingungen der Massentierhaltung wiederum haben über die Zeit dazu geführt, dass dem Tierfutter oftmals Antibiotika beigemischt werden, die beim Menschen, wenn er die Tiere verzehrt, zu Antibiotikaresistenzen führen können.
Was ist zu tun
Wir wissen: Das waren viele Hiobsbotschaften auf einmal. Aber nun genug der schlechten Nachrichten, denn Probleme aufzählen kann schließlich jeder. Wichtig ist, auch Lösungen aufzuzeigen. Lösungen, die die Weltgemeinschaft anstoßen muss, aber auch solche, die jeder Einzelne von uns ins tägliche Leben integrieren kann. Mittlerweile gibt es einige Gruppen, Projekte und Vereine, die sich dem Thema Planetare Gesundheit widmen, beraten und Lösungsvorschläge für eine gesunde Zukunft für Planet und Mensch ausarbeiten. Neben der bereits erwähnten Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit arbeiten beispielsweise auch das Centre for Planetary Health Policy (CPHP), Health for Future Austria (deren Website gerade in Arbeit ist) oder die Planetary Health Alliance mit dem Konzept der Planetaren Gesundheit.
Wir haben für dich einige Lösungsvorschläge zusammengefasst, die sich seitens der Gruppen für Planetare Gesundheit zum Teil an Städte, Länder und Kommunen richten, aber auch an die einzelnen Menschen:
Interdisziplinär bringt mehr
Bei einem Konzept, dem zugrunde liegt, dass alles auf dieser Welt miteinander verbunden ist, macht es Sinn, als Grundlage für zukünftige Lösungen auf eine verstärkte Zusammenarbeit unter den Expertinnen und Experten zu setzen. Mitglieder der Politik, Medizin, Umwelt-, Sozial- und Agrarwissenschaften und weiterer Fachgebiete arbeiten bereits jetzt und sollen in Zukunft noch viel mehr gemeinsam Lösungen finden und sich konstant miteinander austauschen.
Schutz vor der Hitze
In den Gemeinden und Bundesländern werden nachhaltige Hitzeschutzkonzepte gefordert, die für die Menschen die immer länger andauernden Hitzeperioden der kommenden Jahre und Jahrzehnte erträglich machen. Verpflichtende Hitzeschutz-Konzepte in Form von Renaturierung, Hitzeschutz-Zonen, speziell für Obdachlose und Menschen in prekären Wohn- und Lebensverhältnissen, wie z. B. die Caritas aktuell mit ihren Klimaoasen vorzeigt und bauliche Anpassungen beispielsweise in Krankenhäusern und Altenheimen sind dabei essentiell.
Essen mit Maß und Ziel
Mit der Art, wie wir uns ernähren, kann jede und jeder Einzelne einen Beitrag zu seiner eigenen Gesundheit und jener des Planeten beitragen. Die Mahlzeiten der Woche vor dem Einkauf zu planen, um möglichst wenig am Ende wegzuschmeißen und verstärkt eine pflanzenbasierte Ernährung zu genießen, sind nur zwei Punkte des Maßnahmenplans. Die EAT-Lancet-Kommission hat im Sinne der Planetaren Gesundheit eine Strategie für Landwirtschaft und Ernährung ausgearbeitet – die Planetary Health Diet. Den Originalbericht dazu findest du hier.
Endlich wieder durchatmen
Verbände und Vereine der Planetaren Gesundheit fordern, dass sich die Politik an den 2021 von der WHO ausgegebenen neuen Empfehlungen, was die Grenzwerte der Luftschadstoffbelastung anbelangt, orientiert und es hier klare Vorgaben gibt. Aber bereits Maßnahmen, die Länder, Städte und Kommunen zum Hitzeschutz vornehmen, können gleichzeitig auch die Luft verbessern, wie z. B. die Renaturierung von versiegeltem Gelände.
Der Psyche Gutes tun
Krisen, Kriege und Klimawandel wirken sich auf unsere mentale Gesundheit aus, weshalb die Therapeutinnen und Therapeuten aus den Psych-Bereichen auf diese Aspekte vorbereitet werden sollen. Arbeitsmaterialien zu diesen Themen gibt es z. B. bei der Initiative Psychologist/Psychotherapists for Future.
Bildung ist die halbe Miete
Dich interessiert das Thema und du möchtest noch tiefer in die Thematik eintauchen? Dann haben wir noch ein paar Links und Lesetipps für dich.
Buchtipp „Planetary Health. Protecting Nature to Protect Ourselves“
Das Buch gibt einen sehr guten Einstieg in die Thematik, aber auch einen durchaus optimistischen Ausblick auf die Zukunft.
islandpress.org
Planetary Health Academy
Hier findest du aufgezeichnete Vorträge und Diskussionsrunden zum Thema Planetare Gesundheit.
planetary-health-academy.de
Buchtipp “Planetary Health. Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän”
Ein weiteres Fachbuch, als Studienausgabe erschienen, dass die aktuellen Erkenntnisse zum Thema Planetare Gesundheit bündelt und einen guten Über- und Einblick gewährt.
mwv-berlin.de
Ergotherapie Austria
Der Verband der Ergotherapeutinnen und -therapeuten Österreichs widmet sich 2024 schwerpunktmäßig dem Thema Planetare Gesundheit. Mitglieder können über den Userbereich auf Arbeitsmaterialien zugreifen. Die vier Ausgaben der vereinseigenen Fachzeitschrift aus diesem Jahr, die sich auch ganz dem Thema widmen, können auch von Nicht-Mitgliedern beim Verband angefragt werden.
ergotherapie.at/planetare-gesundheit
Buchtipp „Die grüne Arztpraxis“
Was es braucht, um die Gesundheit des Planeten und des Menschen in Einklang zu bringen, haben wir nun schon gehört, doch wie kann man diese Aspekte im wahrsten Sinn des Wortes in die Praxis umsetzen? Das Buch zeigt konkrete Handlungsmöglichkeiten für den Praxisalltag – der sich nicht nur für Ärztinnen und Ärzte, sondern natürlich auch für Therapeutinnen und Therapeuten umsetzen lässt.
mwv-berlin.de
UN Environment Programme
Das UNEP hat diesen Sommer unter dem Titel „Navigating New Horizons – A Global Foresight Report on Planetary Health and Human Wellbeing“ eine Art Anleitung für eine Zukunft im Sinne Planetarer Gesundheit zusammengestellt.
unep.org/resources/global-foresight-report
The Lancet – Planetary Health
Die August-Ausgabe 2024 von The Lancet widmet sich ganz und gar dem Thema Planetare Gesundheit. Online kann man sich die Artikel einzeln durchlesen oder auch die gesamte Ausgabe als PDF herunterladen.
thelancet.com/issue/
Planetary Health Konferenz. Klima und Gesundheit im Dialog
Am Campus Pinkafeld der FH Burgenland findet am 18. und 19. September 2025 die Planetary Health Konferenz statt. Schwerpunktthemen werden das Schärfen des Bewusstseins für klimakompetentes Handeln im Gesundheitswesen, die Transformation in die klimasensible Aus-, Fort- und Weiterbildung der Gesundheitsberufe und die Dissemination der Planetary Health Charta 2030 für ein klimaresilientes Gesundheitssystem sein. Infos zur Anmeldung folgen noch.
fh-burgenland.at
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