Wearables revolutionieren die Gesundheitsvorsorge: Von Fitnesstrackern bis zu medizinischen Geräten bieten sie innovative Möglichkeiten für Prävention und Therapie.
Ob Fitnesstracker, Smartwatch oder medizinische Gesundheits-Gadgets – Wearables sind längst mehr als ein Trend. Wearables aus dem Fitness- und Lifestyle-Bereich begleiten uns flächendeckend im Alltag, zählen Schritte, messen den Puls und erinnern uns daran, uns regelmäßig zu bewegen. Doch wie hilfreich können Wearables sein, wenn es um Gesundheitsvorsorge und Prävention geht? Und wo liegen die Grenzen und Risiken?
Inhalt
- Wearables: Dein persönlicher Gesundheitsassistent im Alltag
- Gesundheitsdaten auf Knopfdruck: Wie Wearables Prävention unterstützen
- Zertifiziertes Medizinprodukt: Neue Standards in Diagnostik und Therapie
- Medizinische Wearables: Freiheit, Präzision und neue Perspektiven
- Fitness- und Lifestyle-Wearables: Mehr Bewegung durch Technik
- Wearables in Therapie und Medizin: Wirkungsvolle Begleiter der Gesundheitsversorgung
- Grenzen und Risiken von Wearables: Datenschutz und Genauigkeit
- Wertvolle Daten: Chance für die Forschung
- Innovative Wearables im Fokus: Epilepsie, Schmerztherapie und Neurotechnologie
Wearables: Dein persönlicher Gesundheitsassistent im Alltag
Der Markt für Wearables wächst rasant: Während 2014 erst 28,8 Millionen Geräte weltweit genutzt wurden, stieg die Zahl bis 2019 auf etwa 337 Millionen. Aktuell befinden wir uns bereits im Umfang von bis zu 550 Millionen Geräten. Dieses Potenzial haben Expertinnen und Experten der Medizin, Krankenkassen und Pharmaindustrie erkannt, weshalb Wearables zunehmend in der medizinischen Forschung eingesetzt werden. Neben der digitalen Selbstvermessung der Nutzerinnen und Nutzer liefern sie wertvolle Daten für Prävention, Überwachung und Diagnostik. Das bietet großes Potenzial, die Behandlungsaufwände für Ärztinnen und Ärzte sowie Therapeutinnen und Therapeuten zu verringern und die Behandlungskosten zu senken.
Gesundheitsdaten auf Knopfdruck: Wie Wearables Prävention unterstützen
Der große Vorteil von Wearables liegt in ihrer Fähigkeit, Gesundheitsdaten kontinuierlich und nahezu unauffällig zu sammeln. Sie zeichnen Aktivitätslevel, Herzfrequenz, Schlafmuster und sogar Stressindikatoren auf. Während Fitness- und Lifestyle-Wearables, wenn sie nur äußerlich angewendet werden, meist frei verkäuflich sind, benötigen medizinische Wearables spezielle behördliche Zulassungen. Unter anderem aufgrund des wachsenden Gesundheitsbewusstseins vieler Menschen werden die Grenzen zwischen diesen beiden technischen Gruppen jedoch immer fließender. Einige Modelle können inzwischen auch den Sauerstoffgehalt im Blut messen oder einen EKG-Test durchführen. Die Messgenauigkeit wird dabei stetig besser.
Diese Daten können helfen, ein besseres Verständnis für den eigenen Körper zu entwickeln. Die Nutzerinnen und Nutzer sehen, wie aktiv sie wirklich sind, ob sie ausreichend schlafen oder wann der Puls ungewöhnlich hoch ist. Gerade in Deutschland und Österreich, wo Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen zählen, können solche Informationen zusätzlich zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen dazu beitragen, frühzeitig Warnsignale zu erkennen.
Zertifiziertes Medizinprodukt: Neue Standards in Diagnostik und Therapie
Damit ein Wearable in Deutschland zu medizinischen Zwecken genutzt und vertrieben werden darf, muss es als Medizinprodukt zugelassen sein und strenge Prüfungen bestehen. Medizinprodukte dienen der Diagnose, Prävention, Überwachung oder Behandlung von Krankheiten und umfassen unter anderem Software, Implantate oder Sehhilfen. Für die Zulassung müssen Hersteller nachweisen, dass alle Leistungs- und Sicherheitsanforderungen erfüllt sind. Ein gutes Beispiel dafür sind Diabetes-Apps. Hier muss die berechnete Menge des notwendigen Korrekturinsulins exakt und medizinisch korrekt sein. Eine falsche Berechnung könnte lebensbedrohlich sein. Aus diesem Grund ist es wichtig, genau zu prüfen und Vertrauen in die Anwendungen zu schaffen. Eine benannte Stelle überprüft alle Anforderungen an die App durch ein Konformitätsbewertungsverfahren basierend auf den Vorgaben des Medizinproduktegesetzes. Nach erfolgreicher Nutzen-Risiko-Bewertung erhält das Wearable eine CE-Kennzeichnung und darf vertrieben werden. Dabei werden auch die Dateninteroperabilität, Schnittstellen und Datenschutzrichtlinien geprüft.
In Österreich können digitale Gesundheitsanwendungen – auch kurz DiGA genannt – derzeit noch nicht in gleicher Weise wie in Deutschland als Medizinprodukte registriert werden und per Rezept verschrieben werden. Im Zuge der eHealth-Strategien gibt es jedoch bereits Bemühungen, entsprechende Prozesse für CE-Zertifizierungen zu entwickeln. Ab 2025 sollen laut der 2024 vorgestellten eHealth-Strategie im Rahmen eines Pilotprojektes die ersten digitalen Gesundheitsanwendungen zur Verfügung stehen.
Mehr zur eHealth-Strategie in Österreich
Medizinische Wearables: Freiheit, Präzision und neue Perspektiven
Wearables in der Medizin können Patientinnen und Patienten mehr Freiheit bieten sowie Ärztinnen, Ärzten und Forschenden neue Erkenntnisse bieten. Die Möglichkeit, nun konstant Werte abfragen zu können, kann beispielsweise dazu beitragen, Wertveränderungen mit bestimmten Ereignissen und Lebensstil-Entscheidungen in Verbindung bringen zu können. Wearables ersetzen dabei ältere, unhandliche Messinstrumente und reduzieren die Hemmschwelle für regelmäßige Messungen.
Wearables für chronische Krankheiten: Diabetes- und Epilepsie-Management im Fokus
Gesundheitstracker vereinfachen Menschen mit chronischen Krankheiten die Kontrolle lebenswichtiger Messwerte. Während sich Menschen mit Diabetes früher mitunter mehrmals täglich in den Finger stechen und ihr Blut testen mussten, misst nun ein kleiner Sensor auf der Rückseite des Oberarms über die Zwischenzellflüssigkeit dauerhaft den Blutzuckerspiegel. Sogar durch Kleidung hindurch kann das zugehörige Messgerät so laufend Prognosen und Empfehlungen abgeben.
Ein Start-up, das in diesem Bereich von sich reden macht, ist OneTwenty.
Auch im Bereich der Versorgung von Epilepsie-Patientinnen und -Patienten gibt es große Fortschritte bei den medizinischen Wearables. Hierbei ist natürlich die Anfallsvorhersage der wichtigste Wunsch an moderne Technologien. Der höchste Standard zur Erkennung epileptischer Anfälle ist die Messung der elektrischen Hirnaktivität durch EEG-Elektroden. Oberflächen-Elektroden sind hier naturgemäß in ihrer Messung eingeschränkt, da sie nicht auf tiefliegende Hirnregionen zugreifen können. Trockenelektroden auf der Kopfhaut liefern diagnostisch verwertbare Messungen, allerdings möchten Patientinnen und Patienten keine am Kopf sichtbaren Elektroden tragen.
Alternative Methoden bei Patientinnen und Patienten mit Schläfenlappenepilepsie, die getestet und laufend verbessert werden, sind Oberflächen-Elektroden, die hinter dem Ohr platziert werden. Aber auch EEG-Elektroden im Ohr haben bereits gute Ergebnisse geliefert. Wearables in diesem Bereich sind bereits von verschiedenen Zulassungsbehörden als Medizinprodukt anerkannt und kommerziell erhältlich. Die Erwartungen gehen dahin, dass flächendeckend eingesetzte Wearables eine Reduktion der SUDEP, also der “sudden unexpected deaths in epilepsy”, ermöglichen könnten. Schwierigkeiten gibt es nach wie vor, fokale Anfälle ohne ausgeprägte motorische Symptome automatisch zu erfassen.
Elektrokardiogramme wiederum können in Form von Smartwatches einem eventuellen Vorhofflimmern auf die Spur kommen und Schlaganfällen, der dritthäufigsten Todesursache in Deutschland und Österreich, vorbeugen. Nicht nur Vorsorge, sondern auch Nachsorge nach einem gesundheitlichen Vorfall mittels Herzsonden und Wearables könnte in Zukunft weitere Vorfälle verhindern. Sie könnten in Verbindung mit anderen Daten zum Lebensstil der Person auch Aufschluss darüber geben, welche individuellen Anpassungen vorgenommen werden sollten, um die Gesundheit zu verbessern.
Medizinische Patches: Innovationen für Rehabilitation und Schwangerschaftsüberwachung
Ein wichtiger Punkt im Bereich der Wearables sind medizinische Patches. Dabei handelt es sich um Silikonpflaster, die Sensoren auf die Haut am Oberkörper aufbringen. Sie können beispielsweise zum postoperativen Monitoring bei Knievollprothesen eingesetzt werden. So kann der Fortschritt der Rehabilitation ohne regelmäßige Besuche bei Ärztin oder Arzt überprüft werden. Flächendeckend ist eine solche Nutzung von Patches aktuell noch nicht möglich, da die Kostenübernahme seitens der Krankenkassen noch nicht gewährleistet ist.
Ein weiterer Einsatzbereich für Patches ist die gesundheitliche Versorgung werdender Mütter. Patches können Hinweise auf Unregelmäßigkeiten geben, die Herztöne des Fötus überwachen und der Schwangeren beispielsweise Empfehlungen zur sportlichen Belastungsmöglichkeit geben. Ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts zu diesem Thema ist Newlife. Das Konsortium aus 25 Forschenden arbeitet daran, ein flexibles, dehnbares und biokompatibles Patch zu entwickeln, das die Schwangerschaft und die Entwicklung des Embryos kontinuierlich überwachen kann. Dieses Patch, ähnlich einem Pflaster, wird auf die Haut der schwangeren Person aufgeklebt und nutzt miniaturisierte Sensoren, wie etwa Ultraschall, um dauerhaft Vitaldaten aufzuzeichnen. Die gesammelten Daten werden per Bluetooth an ein Endgerät, beispielsweise ein Smartphone, übertragen.
Fitness- und Lifestyle-Wearables: Mehr Bewegung durch Technik
Smartwatches sind zum schicken Begleiter im Alltag avanciert, die vor allem Technikaffine und Gesundheitsbewusste ansprechen. Sie sollen uns motivieren zu mehr Bewegung und Schlaf und uns einen Überblick über relevante Gesundheitswerte geben. Dabei werden mittlerweile auch viele unterschiedliche Sportarten abgedeckt, um Trainings möglichst präzise erfassen zu können. Beliebte Bewegungsarten wie Gehen, Laufen, Radfahren, Wandern, Leichtathletik, Schwimmen oder Krafttraining sind bei modernen Smartwatches für gewöhnlich fix integriert.
Von Schrittzähler über Puls- und Blutsauerstoffmessung bis hin zum Stresslevel – dank meist grün leuchtender LEDs, die Licht durch die Haut senden, werden zahlreiche Gesundheitswerte gemessen. Eine Fotodiode analysiert anschließend die Intensität des von der Haut reflektierten Lichts und damit das Volumen des Blutflusses. Je stärker der Blutfluss, desto weniger Licht wird reflektiert. Ebenso integriert sind neben den Wertemessungen und natürlich der Uhrzeitanzeige mittlerweile auch Benachrichtigungen des verbundenen Smartphones. Wer es wünscht, kann seine Trainingsdaten auch in Echtzeit über Social Media teilen.
Fitnesstracker wiederum sind im wahrsten Sinne des Wortes schlanker gestaltet. Manche kommen sogar ohne Display aus, sondern übertragen die Werte direkt auf das verbundene Smartphone. Sie nutzen meist eine Kombination aus zwei Sensoren, die die Beschleunigung bzw. die Rotation messen. Aus diesen Daten erstellen die verknüpften notwendigen Apps dann beispielsweise eine konkrete Auswertung der Schlafphasen.
Wearables in Therapie und Medizin: Wirkungsvolle Begleiter der Gesundheitsversorgung
Wie beispielsweise schon die Patches zur postoperativen Nachsorge zeigen, können Wearables die Zusammenarbeit zwischen Expertinnen und Experten aus Medizin und Therapie und den Patientinnen und Patienten verbessern. Intelligente Tracker generieren Gesundheitsdaten, die Ärztinnen und Ärzte bei der Anamnese und Diagnostik helfen können. Durch die Sammlung großer Datenmengen ermöglichen sie zudem Vorhersagen über potenzielle Gesundheitsprobleme, was frühzeitige und kostengünstigere Präventionsmaßnahmen erleichtert.
Ein besonderer Vorteil zeigt sich in ländlichen Gebieten mit einer geringen Dichte an Ärztinnen und Ärzten sowie Therapeutinnen und Therapeuten. Moderne Wearables können wichtige Daten wie die Herzfrequenz oder den Blutdruck messen, Unregelmäßigkeiten melden und beispielsweise ein EKG erstellen, das als PDF exportiert und an Ärztinnen und Ärzte weitergegeben werden kann. Dies ermöglicht Ferndiagnosen, Fernmonitoring und rechtzeitige medizinische Eingriffe.
Ein weiterer Nutzen liegt in der Unterstützung bei der Medikamenteneinnahme: Wearables mit Erinnerungsfunktionen können das Einnahmeverhalten überwachen und bei Abweichungen medizinisches oder therapeutisches Personal benachrichtigen. Dadurch könnten Krankenhauseinweisungen aufgrund vergessener Medikamente reduziert werden.
Therapeutinnen und Therapeuten können beispielsweise Aktivitätsdaten nutzen, um den Fortschritt bei Rehabilitationsmaßnahmen zu verfolgen oder chronische Erkrankungen besser zu überwachen. In der Zusammenarbeit mit Patientinnen und Patienten bieten Wearables die Möglichkeit, Verhalten und Gesundheitsdaten objektiv zu dokumentieren. Ein Beispiel ist die Überwachung des Schlafverhaltens bei Schlafstörungen oder die Unterstützung in der Bewegungsanalyse bei orthopädischen Problemen.
Wearables in der Gerontologie: Gesundheitsförderung für ältere Generationen
Wearables sind zwar mittlerweile bei allen Altersgruppen beliebt, besonders stark sind allerdings die 40- bis 49-Jährigen vertreten. Doch auch die Über-60-Jährigen ziehen immer mehr nach, was Bestrebungen der Gerontologie und Gerontotechnik entgegen kommen.
Die Forschung in der Gerontologie und Gerontotechnik entwickelt Lösungen, um ältere Menschen mit Einschränkungen bestmöglich zu unterstützen. Wearables wie Smartwatches, Fitnesstracker, Gesundheits-Apps und in Alltagsgegenstände integrierte Sensoren spielen hierbei eine zunehmend wichtige Rolle. Vor allem da die Geräte kontinuierlich Daten wie Vitalparameter und Bewegung ohne aktive Bedienung durch die Nutzerinnen und Nutzer erfassen können. Somit ist auch die Hemmschwelle bei nicht allzu technikaffinen älteren Nutzerinnen und Nutzern niedriger.
Wearables bieten eine kostengünstige Möglichkeit für das persönliche Gesundheitsmanagement und Präventionsmaßnahmen im Alter. Sie können ältere Menschen dabei unterstützen, ihre Gesundheit zu verbessern oder zu erhalten, sensorische oder motorische Einschränkungen auszugleichen und gesundheitsbewusstes Verhalten zu fördern. Mit Erinnerungen an Medikamenteneinnahmen, Motivationshilfen für mehr Bewegung, der Beobachtung von Ess- und Trinkverhalten, aber auch der Möglichkeit, bei Notfällen schnell zu helfen, können die Lebensqualität und Gesundheit älterer Menschen nachhaltig verbessert werden. Dadurch können die Selbstständigkeit und die Lebensqualität gesteigert werden. So gibt es auch schon Entwicklungen in Richtung der Vorbeugung bzw. einer therapeutischen Begleitung von Alzheimer und Demenz mithilfe von Wearables.
Grenzen und Risiken von Wearables: Datenschutz und Genauigkeit
Trotz ihrer Vorteile gibt es auch nach wie vor technische Grenzen und kritische Stimmen. Viele Expertinnen und Experten weisen darauf hin, dass Wearables auf keinen Fall Diagnosen, regelmäßige Check-ups bei Ärztinnen und Ärzten sowie Besuche bei Therapeutinnen und Therapeuten ersetzen können. Die gemessenen Werte sind nach wie vor oft ungenau oder zudem abhängig von der korrekten Anwendung. Ein falsch sitzender Fitnesstracker kann beispielsweise Herzfrequenzwerte verfälschen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Datenschutz. Gesundheitsdaten gehören zu den sensibelsten Informationen, die eine Person teilen kann. In Deutschland und Österreich sind Wearable-Hersteller zwar an strenge Datenschutzrichtlinien gebunden, dennoch bleibt die Frage, wie sicher diese Daten wirklich sind. Vor allem aufgrund der Vernetzung mit Smartphones und weiteren Apps, die die gesammelten Daten auswerten bzw. oftmals Drittanbieter an der Verwertung der Daten beteiligen, stellt sich die Frage bzgl. der Sicherheit.
In Bezug auf die Nutzung der Gesundheitsdaten aus Wearables gibt es auch Bedenken, was Versicherungsanbieter anbelangt. Der US-amerikanische Lebensversicherer John Hancock stellt seit 2018 beispielsweise nur noch interaktive Policen aus, bei denen die Fitness- und Gesundheitsdaten der Versicherten durch Wearables erfasst werden. Diese Daten dienen zur Risikoprüfung: Versicherte mit einem aktiven Lebensstil profitieren von niedrigeren Beiträgen, während Personen mit ungesunden Gewohnheiten höhere Beiträge zahlen müssen.
Einige Krankenkassen erkennen ebenfalls den präventiven Nutzen eines gesunden Lebensstils und bezuschussen die Anschaffung von Wearables. Kritische Stimmen warnen jedoch vor möglichen Nachteilen, wie der Verwendung sensibler Daten zur Erhöhung von Beiträgen bei ungesunder Lebensweise oder zur Vorhersage potenzieller Erkrankungen. Dabei wird gerne ignoriert, dass ein ungesunder Lebensstil oftmals nicht auf freier Entscheidung beruht, sondern durch sozioökonomische Rahmenbedingungen geprägt ist, wie geringes Einkommen, eingeschränkter Zugang zu gesunden Lebensmitteln oder mangelnde Freizeit.
Ein weiterer Punkt ist der Umstand, dass die meisten Nutzerinnen und Nutzer Laien sind, die mit der Interpretation der gesammelten Daten weitestgehend alleine gelassen werden. Der ständige Blick auf Gesundheitswerte kann zu Stress führen. Nicht jeder möchte jede Abweichung im Puls oder Schlafrhythmus sofort sehen – besonders, wenn diese Abweichungen harmlos sind. Zudem ist die Erhebung der Daten, wie bereits erwähnt, auch von der korrekten Anwendung abhängig. Es können also kritische Daten erhoben werden, obwohl eigentlich gar kein Grund zur Sorge besteht.
Wertvolle Daten: Chance für die Forschung
Beim Thema Datennutzung bieten Wearables allerdings auch eine große Chance, um Forschung und Prävention voranzubringen. Um medizinische Zusammenhänge erkennen zu können, wird eine möglichst große Menge an Daten benötigt. Menschen, die ihre Werte laufend mittels ihrer Smartwatches und Fitnesstracker erheben, könnten diese Daten gesichert und anonymisiert der Forschung „spenden”.
Eine beispielhafte Studie für diese Vorgehensweise konnte mittels Fitbit-Daten einen Zusammenhang zwischen einem erhöhten Ruhepuls in der Nacht und dem Auftreten der Grippe herstellen. So könnte also eine potenzielle Grippe-Erkrankung festgestellt werden, bevor Nutzerinnen und Nutzer selbst noch die üblichen Symptome haben und die Übertragungskette frühzeitig unterbrochen werden.
Innovative Wearables im Fokus: Epilepsie, Schmerztherapie und Neurotechnologie
Zum Abschluss haben wir noch ein paar ganz konkrete Beispiele zum Thema Wearables und Gesundheitsversorgung und -vorsorge für dich.
Frühwarnsystem für Epilepsie
Die Vorhersage epileptischer Anfälle basiert auf der Analyse von Vital- und Verhaltensparametern, die sich vor einem Anfall verändern. Ein Forschungsprojekt der JKU Linz, des Kepler Universitätsklinikums und des KI-Unternehmens FiveSquare entwickelt ein mobiles System, das mithilfe von Wearables und Künstlicher Intelligenz präiktale Zustände erkennen und Anfälle vorhersagen soll. Ziel ist es, durch moderne Machine-Learning-Methoden Muster in den erfassten Daten zu identifizieren und ein zuverlässiges Vorwarnsystem zu schaffen. Dieses Projekt soll die Lebensqualität von Epilepsie-Patientinnen und -Patienten verbessern, indem es ihnen ermöglicht, rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Arbeit ist Teil der Initiative „Digital Health – The Digital Patient Journey“ und nutzt innovative Technologien in einer PatientInnen-Studie.
Beruhigung am Handgelenk
Das Apollo® Wearable ist ein tragbares Gerät, das durch sanfte Vibrationen Stress reduziert und das Wohlbefinden fördert. Es wurde entwickelt, um das autonome Nervensystem zu beruhigen, indem es beruhigende Signale an den Körper sendet, ähnlich wie beruhigende Musik oder eine Umarmung. Das Wearable verfügt über verschiedene Modi, die je nach Bedarf aktiviert werden können, z. B. für Entspannung, Fokus oder erholsamen Schlaf. Studien zeigen, dass die Technologie den Cortisolspiegel senken und die Herzfrequenzvariabilität (HRV) verbessern kann, was zu einer besseren Stressresilienz führt. Gegründet wurde das Unternehmen übrigens aus einem Forschungsprojekt an der University of Pittsburgh heraus.
Schmerztherapie ganz diskret
Der Hinge Health Enso 3 ist ein tragbares Gerät, das chronische Schmerzen durch gezielte Neuromodulation lindert. Es nutzt nicht-invasive, niederfrequente elektrische Stimulation, um Schmerzsignale zu blockieren und das Nervensystem zu beruhigen. Das Gerät wird direkt auf der Haut getragen und kann individuell angepasst und angebracht werden, um spezifische Schmerzbereiche wie Rücken, Nacken oder Gelenke zu behandeln. Klinische Studien zeigen, dass der Enso 3 Schmerzen effektiv reduzieren und die Lebensqualität von Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Arthritis oder Bandscheibenvorfällen verbessern kann. Durch die mobile Anwendung ermöglicht das Gerät eine diskrete und benutzerfreundliche Schmerztherapie im Alltag.
Kontrolle in Gedanken
Der Wisear ist ein innovatives Wearable, das Gehirnsignale analysiert, um berührungslose Steuerungen von Geräten zu ermöglichen. Es verwendet fortschrittliche Sensoren, die elektrische Aktivitäten des Gehirns (EEG) und der Muskeln (EMG) erfassen, um Gedanken oder minimalste Bewegungen in digitale Befehle umzuwandeln. Der Wisear wird in Form von smarten Ohrhörern getragen und bietet Funktionen wie das Steuern von Musik, Anrufen oder Apps allein durch mentale Befehle oder Kieferbewegungen. Ziel ist es, eine nahtlose, intuitive Interaktion mit Technik zu schaffen, die Hände und Sprache überflüssig macht. Durch die Kombination von Neurotechnologie und Alltagsgeräten ebnet der Wisear den Weg für eine berührungslose Zukunft der Mensch-Technik-Interaktion und so sicherlich auch für Anwendungen, die Menschen mit Beeinträchtigungen zugutekommen.
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