Erfahrungen als selbstständige Logopädin: Im Gespräch mit Gerlinde Ink

Logopädin Gerlinde Ink ist seit vielen Jahren selbstständig tätig und bietet Diagnostik nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Das lebenslange Lernen ist Gerlinde Inks größte Freude. Sei es eine Umschulung auf ihre heutige Berufung Logopädin mit 33, nachdem sie als zahnmedizinische und kieferorthopädische Fachhelferin gearbeitet hatte, ihr Master in Klinischer Linguistik oder ein Kreis, in dem sie und ihre Kolleginnen und Kollegen sich laufend austauschen – Neugier und der Wunsch, den Patientinnen und Patienten stets die beste Behandlung zuteilwerden zu lassen, treiben Gerlinde Ink an. In ihrer Praxis bietet sie eine eingehende und fundierte logopädische Diagnostik nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

In unserem Podcast hashtagPRAXIS – in Kooperation mit appointmed – erzählt sie uns mehr über ihren Karriereweg, wie sie dazu kam, sich selbstständig zu machen, und welche Tipps sie TherapeutInnen geben würde, die über eine eigene Praxis nachdenken.

Was waren beruflich die bisher wichtigsten Stationen in Ihrem Leben?

Nach meinem Logopädie-Studium habe ich in einem Sozialpädiatrischen Zentrum in Traunstein gearbeitet. Ursprünglich komme ich aus dem Chiemgau in Bayern nahe Salzburg. Dort hatte ich zuvor schon sehr viel interdisziplinäre Erfahrung gesammelt. 2005 bin ich dann nach Wien gezogen und habe in einem Rehabilitationszentrum in Meidling gearbeitet, das auf Schädel-Hirn-Trauma spezialisiert ist. Auch hier stand ein interdisziplinäres Arbeiten an der Tagesordnung und ich konnte sehr viel über die Funktionen des Gehirns lernen. In weiterer Folge habe ich an der FH Joanneum in Graz im Fachbereich Logopädie unterrichtet. Eine besondere Erfahrung, von der Seite der Studentin auf die der Dozentin zu wechseln.

Irgendwann muss man sich für eine Anstellung oder die Selbstständigkeit entscheiden. Wie war das bei Ihnen?

Ich habe nach einiger Zeit gemerkt, dass ich langfristig nicht in einem starren Verwaltungsapparat arbeiten möchte. Es war einfach keine Weiterentwicklung mehr für mich möglich und ich lerne nun mal für mein Leben gerne. Ich sage immer: Ich bin ein Lernjunkie. Es gab für mich also irgendwann nur zwei Möglichkeiten: In eine andere Branche wechseln – das wollte ich aber nicht – oder ich mache mich selbstständig. Ich habe mir diesen Schritt sehr gut überlegt, da er ja mit einigen Risiken verbunden war, aber heute kann ich sagen: Ich bereue ihn keine Sekunde.

Was war es schlussendlich, dass Sie trotz der Risiken von der Selbstständigkeit überzeugt hat?

Der Umstand, für mich selbst verantwortlich zu sein und mir gewisse Freiheiten nehmen zu können. Man darf natürlich vor allem den Start in die Selbstständigkeit nicht unterschätzen. Sich etwas aufzubauen, erfordert viel Energie und Durchhaltevermögen, und wenn man krank wird, bekommt man nicht weiter sein Geld ausbezahlt, wie es als Angestellte der Fall ist.

Aber dafür kann ich nun ganz eigenmächtig entscheiden, wohin die Reise geht, wen ich kontaktiere, wie mein Auftreten ist oder welche Schwerpunkte ich setze. Das ist ein Umstand, den ich wahnsinnig genieße.

„Es ist nie zu spät, etwas Neues zu beginnen und zu wagen.“

Sicherlich hilft es auch, auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen zu können, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Natürlich ist das ein Plan, den ich nicht von heute auf morgen umgesetzt habe, sondern der lange gereift ist und für den ich mich mit allen Aspekten der Selbstständigkeit auseinandergesetzt habe.

Man darf nicht vergessen, dass man dann nicht mehr nur Therapeutin ist, sondern auch Unternehmerin und betriebswirtschaftlich denken muss.

Das ist auch etwas, das ich jedem raten würde, der in die Selbstständigkeit gehen will: Informiert euch möglichst umfangreich. Ich habe damals z. B. einen Kurs zum Thema „Selbstständigkeit für AkademikerInnen“ besucht, in dem ich von der Idee bis zur Erstellung eines Business Plans alles gelernt habe. Das war intensiv, aber sehr wichtig und lehrreich.

Wie es dann tagtäglich läuft, lernt man dann natürlich in Form von Learning by Doing. Daneben ist es aber sicherlich wichtig, das richtige Rüstzeug zu haben.

Genau. Vieles lernt man, während man tagtäglich in der eigenen Praxis arbeitet, aber sich vorab durchzurechnen, wie sich alles finanziert, welche Tools man benötigt, um bekannter zu werden, wo sollte und kann ich mir Support holen etc. – das ist wichtig zu wissen, bevor man in dieses Abenteuer startet.

War für Sie auch eine Gemeinschaftspraxis eine Option?

Ich bin derzeit ein Einpersonenunternehmen – EPU – und habe das auch ganz bewusst so gewählt. Ich hatte vor meinem Sprung in die Selbstständigkeit auch die Möglichkeit, Teil einer Gemeinschaftspraxis zu werden, hatte aber den Wunsch, einfach mein eigenes Ding durchzuziehen.

Mittlerweile denke ich auch, dass Primärversorgungszentren mit mehreren TherapeutInnen wichtig sind und natürlich auch viele Vorteile bieten. Die PatientInnen haben alles an einem Ort. Man kann sich die Kosten für die Praxis und das Marketing teilen und sich untereinander interdisziplinär laufend austauschen. Das Wichtigste bei so einer Unternehmung ist aber sicher ein gutes Vertragswerk. Je näher man sich ist, desto hieb- und stichfester muss der Vertrag sein.

Man ist jung und miteinander befreundet und unterschätzt gerne die Schwierigkeiten, die sich ergeben können, wenn sich im Leben für einen aus der Gemeinschaft eine andere Tür öffnet.

„Man ist nicht nur Therapeutin, sondern in dem Moment ist man auch Unternehmerin und muss betriebswirtschaftlich denken.“

Wie organisieren Sie sich und wie haben Sie Ihre „Best Practice“ gefunden?

Wie vorher schon erwähnt, ist viel davon Learning by Doing. Ich habe den großen Vorteil, dass Alex, der Sohn meines Mannes, im Consulting arbeitet und mich berät. Er hat nicht nur einmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, wenn ich ihm erzählt habe, wie ich bestimmte Dinge mache.

Eine wesentliche Frage bei der Selbstständigkeit ist natürlich: Arbeite ich als Kassen- oder als Wahllogopädin? Ersteres ist in gewisser Weise eine geschützte Selbstständigkeit. Man ist aber auch sehr abhängig von den Kassen und den Verhandlungen und hat einen großen administrativen Aufwand.

Als Wahllogopädin muss ich auf der anderen Seite eigenständiger ein Netzwerk aufbauen und meine Praxis organisieren. Mit so wunderbaren Tools wie der appointmed Praxissoftware geht das natürlich gleich viel leichter.

Wie viel Prozent Ihrer Arbeit umfasst die Logopädie und wie viel der administrative und organisatorische Part?

Ich würde sagen, 70 Prozent entfallen auf die Therapie und 30 Prozent auf das Drumherum. Dazu gehören aber nicht nur die Rechnungslegung und Terminvereinbarungen, sondern auch das Vernetzen.

Bei mir melden sich Kindergärten, Schulen und Arztpraxen, die eine fachkundige Auskunft brauchen. Diese Vernetzung ist wichtig, aber eben auch sehr zeitaufwendig, und es stellt sich immer mal die Frage, wie man diese Beratung verrechnet.

Trotz gewisser Herausforderungen steht für mich dennoch fest, dass ich nie wieder in einem Angestelltenverhältnis tätig sein möchte.

Gibt es etwas, das Sie rückblickend anders machen würden?

Ich würde mir bezüglich der Selbstständigkeit weniger Stress und Sorgen machen. Man braucht natürlich ein gutes Qualitätsmanagement, aber man wächst auch mit den Aufgaben. Wenn man etwas mit Herzblut macht und mit Leib und Seele bei der Sache ist, dann funktioniert es auch. Und natürlich braucht es manchmal einfach Zeit. Diesen Faktor darf man nicht unterschätzen.

Was ist der wertvollste Rat, den Sie bislang bekommen haben?

Tatsächlich der Rat, den ich vorhin selbst weitergegeben habe:Informiere dich gut!

Was braucht es für einen guten Businessplan? Wie komme ich zu Patientinnen und Patienten? Was brauche ich, damit sich das alles rechnet? Wie sieht es mit den Steuern aus?

Im Zuge dessen war auch der Tipp wertvoll, Kreditanfragen mit einem konkreten Businessplan in der Hand von unterschiedlichen Banken einzuholen. Das hat für mich einen riesigen Unterschied gemacht. Ich dachte mir davor: Naja, Bank ist Bank, was wird es da schon groß für Unterschiede geben? Aber wenn Du einen klaren Plan an der Hand hast, bekommst Du ganz unterschiedliche Angebote und kannst wählen. Auch sehr wichtig: ein guter Steuerberater, der auch Branchenkenntnisse hat.

Hier findest du das gesamte Interview mit Gerlinde Ink zum Nachlesen oder im hashtagPRAXIS Podcast zum Nachhören.

Hör bei dieser Gelegenheit auch gleich in die neue, dritte Staffel unseres hashtagPRAXIS-Podcasts hinein!

Mit hilfreichen Tipps für dein Social-Media-Marketing, Infos zum VDOE, Erfahrungen aus einer Gruppenpraxis und zahlreichen hilfreichen Themen für deinen Praxisalltag.