Die Gründung oder Mitarbeit in einer Gemeinschaftspraxis bietet viele Chancen, erfordert jedoch sorgfältige Planung.
Die Zusammenarbeit in einer Gemeinschaftspraxis bietet für Therapeutinnen und Therapeuten sowie Beraterinnen und Berater zahlreiche Vorteile und ist für viele auch ein beliebter Einstieg in die Selbstständigkeit. Dazu gehören unter anderem die gemeinsame Nutzung von Ressourcen, der fachliche Austausch und eine breitere Angebotspalette für Patientinnen und Patienten. Doch bevor es zur Gründung oder Zusammenarbeit kommt, sollten einige wichtige Punkte bedacht werden.
1. Wahl der Partnerinnen und Partner
Die Wahl der richtigen Partnerinnen oder Partner ist eine der wichtigsten Entscheidungen bei der Gründung oder Mitarbeit in einer Gemeinschaftspraxis. Diese Zusammenarbeit kann in vielerlei Hinsicht mit einer langfristigen Partnerschaft verglichen werden. Es ist wichtig, sich vorab bewusst zu machen, mit wem man seinen beruflichen Alltag teilen möchte. Mitunter funktioniert die Zusammenarbeit mit einer Kollegin, die man erst seit Kurzem kennt, aufgrund gemeinsamer Werte und beruflicher Visionen besser als mit einem langjährigen Freund aus derselben Fachrichtung. Freundschaft und Geschäft können eine bereichernde Kombination sein, bergen jedoch auch Konfliktpotenzial. Eine offene und ehrliche Kommunikation im Vorfeld hilft, Erwartungen und Rollen klar zu definieren.
2. Rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen
Bevor eine Gemeinschaftspraxis gegründet wird, ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen zu klären und zu definieren. Dazu gehören Fragen zur Gesellschaftsform (z. B. GbR, GmbH oder Partnerschaftsgesellschaft), zur Haftung und zur Vertragsgestaltung. Ein gemeinsamer Gesellschaftsvertrag sollte klare Regelungen zu finanziellen Beiträgen, Gewinnausschüttung, Arbeits- sowie Urlaubszeiten, Entscheidungsstrukturen und dem Umgang mit Konflikten enthalten. Auch unangenehme Themen wie die Auflösung der Gemeinschaft oder der Tod eines der Beteiligten sollten im Vertrag klar geregelt sein, um in schwierigen Situationen rechtliche und organisatorische Klarheit zu schaffen.
Es empfiehlt sich, bereits im Gründungsprozess professionelle Unterstützung von Anwältinnen und Anwälten sowie einer Steuerberatung in Anspruch zu nehmen. Diese können sicherstellen, dass keine wichtigen rechtlichen oder steuerlichen Details übersehen werden und der Gesellschaftsvertrag rechtssicher aufgesetzt wird.
3. Klare Zielsetzungen und Visionen
Ein gemeinsames Verständnis von Zielen und Werten ist essenziell. Welche Leistungen sollen angeboten werden? Soll die Praxis spezielle Schwerpunkte setzen? Welche Patientengruppen sollen angesprochen werden? Wie sieht die gewünschte Zusammenarbeit langfristig aus? Neben strategischen Zielen sollten auch persönliche und individuelle Zielvorstellungen besprochen werden. Die einen möchten ihren Arbeitsfokus vielleicht auf die Arbeit in der Gemeinschaftspraxis legen, die anderen haben noch eine eigene Praxis und unterrichten. Ein regelmäßiger Austausch darüber hilft, Missverständnisse zu vermeiden und sorgt dafür, dass alle Beteiligten am selben Strang ziehen. So können auch Aufgaben umverteilt werden, wenn sich Prioritäten verschieben.
4. Finanzielle Planung und Budgetierung
Die Kosten einer Gemeinschaftspraxis können erheblich sein: Miete, Ausstattung, laufende Betriebskosten und Personalkosten. Eine transparente und realistische Finanzplanung ist notwendig, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Dazu gehört auch eine gemeinsame Finanzstrategie: Wie werden Gewinne verteilt? Welche Rücklagen sollen gebildet werden? Auf welchen Investitionen liegt in den kommenden Jahren der Fokus? Regelmäßige finanzielle Überprüfungen sorgen dafür, dass die Praxis wirtschaftlich stabil bleibt.
5. Standort und Raumgestaltung
Der Standort ist entscheidend für den Erfolg einer Gemeinschaftspraxis. Er sollte für Patientinnen und Patienten gut erreichbar sein, ausreichend Parkmöglichkeiten bieten und eine angenehme Atmosphäre schaffen. Die Raumgestaltung sollte funktional und einladend sein. Auch hier ist es wichtig, auf einer Wellenlänge zu sein. Alle Beteiligten werden in den Praxisräumlichkeiten viel Zeit verbringen und sich dementsprechend mit der Gestaltung wohlfühlen. Behandlungsräume müssen den jeweiligen Anforderungen der Fachbereiche entsprechen, während Gemeinschaftsbereiche Kommunikation und Zusammenarbeit erleichtern sollten. In rechtlicher Hinsicht sollten vorab etwaige Vorgaben zur Größe von einzelnen Behandlungsräumen beachtet werden, damit es keine Probleme bei den baulichen Genehmigungen gibt.
6. Rollen und Verantwortlichkeiten
Jede Partnerin und jeder Partner sollte klare Aufgaben und Verantwortungsbereiche haben. Wer kümmert sich um die Buchhaltung? Wer übernimmt Marketingaufgaben? Wer hat die Verantwortung für die Praxisverwaltung oder die technischen Abläufe? Eine klare Aufgabenverteilung schafft Struktur, sorgt für Effizienz und minimiert Konflikte. Auch über die Rollenverteilung sollte regelmäßig bei gemeinschaftlichen Treffen gesprochen werden, um etwaige Umverteilungen vornehmen zu können, bevor jemand unzufrieden oder überlastet ist.
7. Kommunikation und Konfliktmanagement
Eine offene und respektvolle Kommunikation ist die Basis für jede erfolgreiche Zusammenarbeit – so auch in einer Gemeinschaftspraxis. Regelmäßige Teammeetings, klare Kommunikationswege und ein strukturiertes Konfliktmanagement helfen, Unstimmigkeiten frühzeitig zu klären. Konflikte sind in jeder Zusammenarbeit unvermeidlich, können aber konstruktiv gelöst werden, wenn sie rechtzeitig angesprochen werden.
8. Marketing und Akquise
Ein gemeinsamer Auftritt nach außen, sei es durch eine professionelle Website, soziale Medien oder gezielte Werbemaßnahmen, ist für den Erfolg der Gemeinschaftspraxis essenziell. Mit einer klaren Marketingstrategie sollten die Zielgruppen gleich zu Beginn definiert werden, die Sichtbarkeit der Praxis erhöht und Alleinstellungsmerkmale der Gemeinschaftspraxis hervorgehoben werden. Wenn beispielsweise ungewöhnliche Fachrichtungen in der Praxis zusammenarbeiten oder außergewöhnliche Therapieansätze sowie Spezialisierungen angeboten werden, sollte dies klar nach außen kommuniziert werden.
9. Fort- und Weiterbildung
Der Gesundheitssektor entwickelt sich stetig weiter, und es ist wichtig, dass alle Partnerinnen und Partner auf dem neuesten Stand bleiben. Regelmäßige Fortbildungen und Schulungen tragen nicht nur zur fachlichen Qualität bei, sondern können auch das Angebot der Praxis erweitern und neue Patientengruppen erschließen. Wie auch bei den Visionen und Werten ist es wichtig, dass alle Beteiligten an der Praxis zum Thema Weiterbildung möglichst eine ähnliche Einstellung haben. Alle sollten daran interessiert sein, selbst dazuzulernen, aber auch die Praxis nach vorne zu bringen. Ungleichgewichte in diesem Bereich können Konfliktpotenzial bergen.
10. Work-Life-Balance und Selbstfürsorge
Die Arbeit in einer Gemeinschaftspraxis kann herausfordernd und zeitintensiv sein. Deshalb ist es wichtig, auf eine gesunde Work-Life-Balance zu achten. Klare Arbeitszeiten, Pausen- und Urlaubsregelungen sowie gegenseitige Unterstützung helfen dabei, Überlastung zu vermeiden und langfristig motiviert und gesund zu bleiben.
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