© Freepik © Freepik

Das menschliche Darm-Mikrobiom: Ein Universum in uns

Das Darm-Mikrobiom, ein Universum aus Mikroorganismen, beeinflusst Verdauung, Immunsystem und Gesundheit. Erfahre, wie Du es aktiv stärken kannst.

Das Darm-Mikrobiom gehört zu den faszinierendsten Forschungsfeldern der modernen Medizin. Es handelt sich um ein hochkomplexes Ökosystem in unserem Verdauungstrakt, das Billionen von Mikroorganismen umfasst – darunter Bakterien, Viren, Pilze und andere Kleinstlebewesen. Dieses System spielt eine zentrale Rolle für unsere Gesundheit und ist an zahlreichen Prozessen unseres Körpers beteiligt.


Was ist das Darm-Mikrobiom?

Das Darm-Mikrobiom ist die Gesamtheit aller Mikroorganismen und ihrer genetischen Informationen, die in deinem Darm leben. Laut Schätzungen befinden sich 30 bis 100 Billionen Mikroorganismen in unserem Darm. Wie es in natürlichen Ökosystemen meistens der Fall ist, bedeutet auch beim Darm-Mikrobiom eine hohe Diversität Resilienz. Wer eine geringe Diversität hat, ist deshalb meist anfälliger für Infektionen und kann einem schlechten Ernährungsstil oder der Einnahme von Medikamenten schlechter standhalten. Wobei dieses Zusammenspiel natürlich auch in die andere Richtung funktioniert. Dazu aber später mehr. 

Mikroben sind nicht bloß Mitbewohner, sondern arbeiten aktiv mit dem Körper zusammen. Sie helfen dabei, Nahrung zu verdauen, Vitamine wie B12 oder K herzustellen und schädliche Eindringlinge in Schach zu halten. Insgesamt umfasst das Mikrobiom unseres Darms eine unglaubliche genetische Vielfalt. Spitzenreiter dabei ist der Dickdarm. Hier gibt es mehr Mikroben als an irgendeinem anderen Ort im menschlichen Körper und auch die größte Vielfalt.


Balance oder Disbalance: Wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gerät

Ein gesundes Darm-Mikrobiom ist wie ein gut funktionierendes Orchester: Jeder Mikroorganismus hat seine Aufgabe, und alles ist fein abgestimmt. Doch was passiert, wenn eine der Musikerinnen aus der Reihe tanzt oder der Dirigent fehlt? Eine Disbalance im Mikrobiom – auch Dysbiose genannt – kann massive Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Ein gestörtes Mikrobiom wird mittlerweile mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter:

Magen-Darm-Probleme: Reizdarmsyndrom (IBS), chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa.

Metabolische Störungen: Adipositas, Typ-2-Diabetes und die nichtalkoholische Fettleber.

Psychische Gesundheit: Die Darm-Hirn-Achse steht für die komplexe neuroendokrinologische Kommunikation zwischen dem Darm und dem Gehirn und schließt auch den Einfluss des Darm-Mikrobioms ein. Laut aktueller Studien wie jener von Radjabzadeh et al. aus 2022 wird eine Dysbiose mit Depressionen in Verbindung gebracht. Auch Angststörungen und sogar neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer könnten mit einem Ungleichgewicht des Darm-Mikrobioms zusammenhängen. 

Immunsystem: Rund 70 Prozent aller Immunzellen sitzen im Darm. Ein Ungleichgewicht kann daher Autoimmunerkrankungen oder chronische Entzündungen begünstigen.

Hautkrankheiten: Auch Hautprobleme wie Akne oder Rosazea werden zunehmend mit einem gestörten Darm-Mikrobiom in Verbindung gebracht. Eine aktuelle Studie von Guertler et al. aus 2024 hebt hervor, wie eng die Darm-Haut-Achse verknüpft ist und wie Dysbiosen entzündliche Hauterkrankungen verschlimmern können.

Auf der anderen Seite hat ein ausgewogenes Mikrobiom unzählige Vorteile. Es fördert eine gesunde Verdauung, stärkt die Immunabwehr und kann deinen Schlaf, deine Hautgesundheit und deine Stimmung verbessern. 


Was bringt das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht?

Leider gibt es viele Faktoren, die das empfindliche Gleichgewicht im Darm stören können:

Antibiotika: Sie können lebensrettend sein, zerstören aber leider nicht nur schädliche Bakterien, sondern auch viele der guten Darmbewohner. Besonders wiederholte oder langfristige Antibiotika-Therapien können das Mikrobiom nachhaltig schädigen.

Stress: Chronischer Stress beeinflusst die Darm-Hirn-Achse und führt zu Veränderungen in der Zusammensetzung der Darmflora. Studien zeigen, dass Stress Entzündungsprozesse im Darm begünstigen und die Barrierefunktion der Darmwand beeinträchtigen kann.

Unausgewogene Ernährung: Die westliche Ernährung, die reich an Zucker, Fett und verarbeiteten Lebensmitteln ist, fördert schädliche Bakterien und lässt die Vielfalt im Mikrobiom schrumpfen. Das Fehlen von Ballaststoffen verschärft dieses Problem.

Schlafmangel: Auch zu wenig oder schlechter Schlaf kann Dein Mikrobiom negativ beeinflussen. Der zirkadiane Rhythmus – die innere Uhr – spielt eine wichtige Rolle für die Darmgesundheit. 

Umweltgifte: Pestizide, Schwermetalle und andere Umweltgifte können schädlich auf die Mikroben im Darm wirken und das Gleichgewicht stören.

Infektionen: Durchfallerkrankungen oder andere Magen-Darm-Infektionen können die Darmflora kurzfristig stark durcheinanderbringen und eine Dysbiose auslösen.


Neue Erkenntnisse: Was sagt die Forschung?

Die Forschung zum Mikrobiom boomt, und in den letzten Jahren sind einige spannende Zusammenhänge ans Licht gekommen. Hier ein paar Highlights:

Personalisierte Ernährung: Studien zeigen, dass die Zusammensetzung des Mikrobioms individuell verschieden ist – fast wie ein Fingerabdruck. Ziel der Wissenschaft ist es, wie auch vermehrt bei der personalisierten Präventivmedizin, Ernährungskonzepte zu entwickeln, die auf deine persönliche Mikrobiom-Zusammensetzung abgestimmt sind. Eine vielbeachtete Studie von Zeevi et al. aus 2015 hat gezeigt, dass unterschiedliche Menschen auf dieselben Lebensmittel ganz unterschiedlich reagieren – abhängig von ihrem Mikrobiom.

Probiotika und Präbiotika: Während Probiotika lebende Bakterien enthalten, fördern Präbiotika das Wachstum der guten Bakterien. Kombiprodukte – sogenannte Synbiotika – können also besonders effektiv sein, um die Darmflora zu regenerieren.

Stuhltransplantationen: Der Transfer von gesunden Darmbakterien durch Stuhltransplantationen – auch FMT genannt – hilft beispielsweise bei der Behandlung von Clostridium-difficile-Infektionen – einer lebensbedrohlichen Darmerkrankung. Durchgeführt werden kann eine solche Transplantation mittels einer Magen- oder Dünndarmsonde, einer Endoskopie oder mit magensaftresistenten Kapseln. Es 

Mikrobiom und Medikamente: Das Mikrobiom beeinflusst, wie Dein Körper auf Medikamente reagiert. Zum Beispiel kann die Darmflora darüber entscheiden, wie gut Chemotherapien wirken oder ob bestimmte Nebenwirkungen auftreten.


So stärkst Du Dein Darm-Mikrobiom

Die gute Nachricht ist: Du kannst einiges tun, um dein Darm-Mikrobiom zu pflegen und zu stärken:

Ballaststoffe essen: Ballaststoffe sind das Lieblingsessen deiner Darmbakterien. Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse – je bunter, desto besser. Besonders Topinambur, Chicorée und Haferflocken sind echte Mikrobiom-Stars.

Fermentierte Lebensmittel: Joghurt, Kefir, Sauerkraut, Kimchi oder Kombucha sind vollgepackt mit lebenden Kulturen, die deine Darmflora positiv beeinflussen können.

Präbiotika einbauen: Präbiotika wie Inulin oder Pektin sind quasi die „Snacks“ für die guten Darmbewohner und sind in Lebensmitteln wie Zwiebeln, Knoblauch, Bananen und Spargel zu finden.

Zucker und stark verarbeitete Lebensmittel reduzieren: Diese fördern das Wachstum schädlicher Bakterien. Je natürlicher deine Nahrung, desto besser für deinen Darm.

Stress abbauen: Ob durch Yoga, Meditation, Spaziergänge oder kleine Atemübungen zwischendurch – ein entspannter Geist hilft auch deinem Darm.

Regelmäßig bewegen: Sport fördert die Durchblutung des Darms und kurbelt auch die Vielfalt des Mikrobioms an.

Ausreichend schlafen: Gönne deinem Körper sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht, um die Balance deines Mikrobioms und die Regenerationskräfte deines Körpers zu unterstützen.

Probiotika bei Bedarf: Nahrungsergänzungsmittel mit Probiotika können in bestimmten Situationen hilfreich sein, z. B. nach einer Antibiotika-Therapie. Wichtig ist, sich vorab von Experten wie beispielsweise der Diätologin oder dem Diätologen des Vertrauens beraten zu lassen. Vor allem, da es bei Probiotika große Qualitätsunterschiede gibt. 


Buchtipps: Mehr über das Darm-Mikrobiom erfahren

Du möchtest mehr über das Thema Darm-Mikrobiom und darmfreundliche Ernährung erfahren? Wir haben vier weiterführende Leseempfehlungen für dich!

Superorgan Mikrobiom

Der Darm als Schlüssel zu Gesundheit und einem längeren Leben

AutorInnen: Dr. Nicole Schaenzler | PD Dr. med. Florian Beigel
Verlag: GU


30 Pflanzen pro Woche

Das Kochbuch für ein langes gesundes Leben: Rezepte, die das Darm-Mikrobiom stärken

Herausgeberin: Katharina Seiser
Verlag: Brandstätter

Gesundheit beginnt im Darm

Wie unsere Ernährung unser Immunsystem beeinflusst. Für mehr Energie, Balance und ein längeres Leben

Autor: Emeran Mayer
Verlag: riva

Fermentieren. Für einen gesunden Darm

Über 60 Rezepte für Gemüse, Milchprodukte und Getränke

Herausgeberin: Fern Green
Verlag: Dorling Kindersley

Header © Freepik