Eine Praxisübernahme ermöglicht einen schnellen Start mit einem bestehenden Patientenstamm und Team. Wir zeigen Chancen, Risiken und wichtige Punkte, die zu beachten sind.
Eine bestehende Praxis zu übernehmen, kann für selbstständige Therapeutinnen und Therapeuten oder solche, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wollen, eine ansprechende Alternative zur Neugründung sein. Vorteile sind beispielsweise ein schneller Start, mit einem bestehenden Patientenstamm und ein etabliertes Netzwerk mit Ärztinnen und Ärzten und anderen Kooperationspartnern. Eine Praxisübernahme kann zudem günstiger kommen als eine Neugründung und wenn Mitarbeitende Teil des Unternehmens sind, hat man bereits ein eingespieltes Team an der Hand.
Obwohl eine Praxisübernahme meist günstiger kommt als eine Neugründung ist, können die Übernahmekosten trotzdem sehr hoch sein. Zudem gibt es manchmal Überraschungen, was Altlasten betrifft. Patientinnen und Patienten können zu anderen Therapeutinnen und Therapeuten abwandern und bestehende Strukturen, wie Praxisabläufe oder Patientengewohnheiten können auch hinderlich sein.
Wir geben einen Überblick darüber, was man vor einer Praxisübernahme prüfen lassen sollte, welche versteckten Kosten man gerne vergisst, was in einem Praxisübernahmevertrag auf jeden Fall drinnen stehen sollte und wie die Regelungen beim Patientenstamm und bestehenden Mitarbeitenden aussehen.
Inhalt
- Gut geprüft ist halb gewonnen: Worauf vor einer Übernahme zu achten ist
- Versteckte Kosten: Punkte, die man bei der Finanzplanung nicht vergessen sollte
- Schwarz auf Weiß: Fixpunkte für den Praxisübernahmevertrag
- Patientenübernahme: Rechte und Pflichten der Inhaberinnen und Inhaber
- Die freie Wahl: Die Position der Patientinnen und Patienten bei einer Praxisübernahme
- Ein starkes Team: Übernahme einer Praxis mit angestellten Mitarbeitenden
Gut geprüft ist halb gewonnen: Worauf vor einer Übernahme zu achten ist
Bevor man ernsthaft die Übernahme einer Praxis in Erwägung zieht, sollten diverse wirtschaftliche und rechtliche Aspekte beispielsweise zusammen mit dem eigenen Anwalt oder der Anwältin geprüft werden.
Betriebswirtschaftliche Faktoren
Patientenstamm: Hier sollte auf die Anzahl und die Frequenz der bestehenden Patientinnen und Patienten geachtet werden und darauf, ob gewisse Abhängigkeitsrisiken bestehen. Das kann der Fall sein, wenn z. B. ein großer Teil der Patientinnen und Patienten von einem einzigen Zuweisenden an die Praxis vermittelt wurden und werden.
Finanzen: Der Umsatz, die laufenden Kosten und die Steuerlast sind wesentliche Punkte, wenn es um die Rentabilität der Praxis geht. Zudem sollte geklärt werden, ob es offene Verbindlichkeiten gibt, beispielsweise Schulden bei Partnern oder ausständige Gehälter oder Urlaubs-Entgeltzahlungen für Mitarbeitende. Versteckte Altlasten können später zu unangenehmen Überraschungen führen.
Investitionsbedarf: Müssen Geräte und Möbel ersetzt werden? Ist die IT veraltet? Was kann aus dem Bestand übernommen werden? Die Investitionskosten sollten so konkret wie möglich bemessen werden, um zu wissen, ob sich das Projekt rentiert.
Kassenverträge und Zulassungen: Es gilt auch zu prüfen, ob es bestehende Kassenverträge gibt und ob diese übernommen werden können. Falls diese neu beantragt werden müssen, sollte man vorab mit den Krankenkassen klären, ob es beispielsweise in der Gegend der Praxis mittlerweile eine Überversorgung gibt und ob eine neue Kassenzulassung überhaupt möglich ist.
Standort und Infrastruktur
Mietvertrag: Falls ein Mietvertrag für die Räumlichkeiten besteht, ist es wichtig, sich vorab die Konditionen und die Laufzeit anzusehen. So kann es sein, dass es bei befristeten Verträgen nach Ablauf der Frist zu umfangreichen Preissteigerungen kommt.
Barrierefreiheit: Ob die Praxisräumlichkeiten frei zugänglich sind, ob es beispielsweise einen Aufzug, breite Türen und passende Sanitäranlagen gibt oder ob in diesem Bereich nachgerüstet werden muss, ist ein weiterer wesentlicher Punkt.
Zustand der Praxisräume: Neben dem Mobiliar, den therapeutischen Geräten oder der IT ist für die Berechnung der Investitionskosten auch eine bauliche Inspektion der Praxisräume sinnvoll. So weiß man vorab, in welchem Umfang hier Renovierungsbedarf besteht.
Wettbewerb: Abzuklären, wie viele Mitbewerberinnen und Mitbewerber es im Umfeld gibt, ist relevant, um sich ein Bild darüber zu machen, in welchem Ausmaß die Neugewinnung von Patientinnen und Patienten möglich ist.
Rechtliche Aspekte
Arbeitsverträge und Personal: Wenn es Mitarbeitende gibt, müssen diese aus dem vorherigen Dienstverhältnis übernommen werden. Es ist also ratsam, sich die Verträge und mögliche Altlasten (ausstehende Zahlungen) anzusehen.
Datenschutz: Möglicherweise ist die Patientendokumentation veraltet und es braucht ein technisches und/oder organisatorisches Upgrade, um alles modern, sicher und korrekt dokumentieren zu können.
Versicherungen: Es ist wichtig zu klären, ob Berufshaftpflicht- und Gebäude- bzw- Hausratversicherungen bestehen, ob diese übernommen oder neu abgeschlossen werden müssen. Auch dieser Aspekt ist mitunter mit Zeit und Kosten verbunden.

Ein ausreichendes Sicherheitsnetz ist in der Selbstständigkeit unerlässlich, um den Kopf frei zu haben für die eigene Berufung. Wir geben dir einen Überblick über wichtige Versicherungen für deine Praxis.
Versteckte Kosten: Punkte, die man bei der Finanzplanung nicht vergessen sollte
Nun haben wir bereits einige Aspekte im Blick, die für Überraschungen oder zeitlichen und finanziellen Aufwand sorgen können, die sich im Vergleich zum Output möglicherweise nicht dafür stehen. Es gibt aber noch weitere Ausgaben, die bei der Finanzplanung gerne vergessen werden, aber im Ausmaß keinesfalls unerheblich sind.
Kaution für das Mietobjekt: Diese muss oft neu hinterlegt werden, wenn ein Mietobjekt und der zugehörige Vertrag übernommen werden.
Notarkosten und Vertragsprüfung: Bestehende Verträge von Profis prüfen, neue Verträge aufsetzen und neue Zuständigkeiten eintragen zu lassen, ist mit Kosten verbunden, die sich schnell summieren.
Beratungskosten (Steuerberatung, Rechtsvertretung): Eine betriebswirtschaftliche und steuerliche Prüfung ist vor einer Übernahme dringend zu empfehlen. Mitunter auch eine bauliche Überprüfung der Räumlichkeiten.
IT- und Software-Umstellung: Neue Geräte, eine neue Praxis-Software und/oder ein DSGVO-konformes Dokumentationsverfahren schlagen sich mitunter nicht allzu knapp zu Buche.
Marketing und Information an Patientinnen und Patienten: Für Aussendungen, in denen du über die Praxis-Übernahme informierst, aber auch für die Umgestaltung der Website, den Entwurf eines neuen Logos und viele andere Aspekte deines Marketings sind mit zeitlichem und finanziellem Aufwand verbunden.
Anpassungen an gesetzliche Vorgaben: Anpassungen bei der Barrierefreiheit, dem Datenschutz oder Kassensystemen sind oftmals ein Muss und kein Aspekt, für oder gegen den du dich entscheiden kannst. Es sind also mitunter Fixpunkte in deinem Budget.
Personal-Weiterbildungskosten: Wenn du bestimmte Behandlungen oder Techniken anbietest oder mit Geräten arbeitest, die deine Vorgängerin oder dein Vorgänger nicht im Programm hatte, musst du das bestehende Personal in diese Richtung schulen.
Schwarz auf Weiß: Fixpunkte für den Praxisübernahmevertrag

Es gibt wichtige Vertragsinhalte, die essentiell sind und auf jeden Fall festgelegt werden müssen. In jedem Fall sollte dieser Vertrag von der eigenen Anwältin oder dem Anwalt aufgesetzt oder zumindest genau geprüft werden.
Kaufpreis: Dieser setzt sich aus vielen unterschiedlichen Aspekten wie dem Patientenstamm, dem Inventar, den bestehenden Mietrechten und vielem mehr zusammen.
Zahlungsmodalitäten: Vereinbare klar, ob der Kaufpreis als Einmalzahlung oder als Ratenzahlung abgewickelt wird.
Haftung für Altlasten: Wenn es Altlasten gibt und auch präventiv, falls es noch zu Überraschungen kommt, ist zu klären, wer für offene Rechnungen und Personalkosten haftet.
Wettbewerbsklausel: Wer eine Praxis nicht übernimmt, weil die bisherige Inhaberin oder der Inhaber in Pension oder Rente geht, sondern weil die Person eine neue Praxis eröffnet, sollte festlegen, ob dies in der Nähe der übernommenen, ehemaligen Praxis erfolgen darf. Die Chance, dass die Patientinnen und Patienten in diesem Fall mitgehen, ist relativ groß und dann wäre ein wichtiger Vorteil einer Praxisübernahme praktisch nicht vorhanden. Das hätte z. B. Auswirkungen auf den Kaufpreis.
Übergabezeitraum und Einarbeitung: Die Übergangszeit, etwaige Übergaben und Einarbeitungen sowohl von der neuen Inhaberin oder des neuen Inhabers, als auch von den bestehenden Mitarbeitenden sollten klar definiert und festgehalten werden.
Patientenakten und Datenschutz: Wer festhält, wie die Übergabe aller Unterlagen und Daten DSGVO-konform erfolgen, ist, vor allem auch bei späteren Prüfungen, auf der sicheren Seite.
Mitarbeitendenübernahme: Die Arbeitsverhältnisse müssen konkret aufgeschlüsselt sein, damit man Mitarbeitende auch optimal in den neuen Betrieb übernehmen kann.
Patientenübernahme: Rechte und Pflichten der Inhaberinnen und Inhaber
Ein guter und beständiger Patientenstamm ist einer der relevantesten Aspekte einer Praxisübernahme. Dabei gilt es Informationspflichten, DSGVO-Vorgaben und andere wichtige Aspekte zu beachten und einzuhalten.
Rechte und Pflichten der bisherigen Praxisinhaberinnnen und -inhaber
Informationspflicht: Der bisherige Inhaber oder die Inhaberin darf die Patientinnen und Patienten nicht automatisch an die Nachfolgerin oder den Nachfolger übergeben. Es muss eine aktive Information über die Praxisübergabe erfolgen, z. B. in Form eines Briefs, Aushangs und/oder eines persönlichen Gesprächs. Die Patientinnen und Patienten müssen im Übergabeprozess die Möglichkeit haben, sich für oder gegen eine Weiterbehandlung zu entscheiden.
Einwilligung zur Datenweitergabe einholen: Entscheiden sich Patientinnen oder Patienten für die Weiterbehandlung, dürfen deren gesundheitliche Akten nur mit schriftlicher Einwilligung der jeweiligen Patientinnen und Patienten an die Nachfolgerin oder den Nachfolger weitergegeben werden. Dabei müssen unbedingt die DSGVO-Richtlinien eingehalten und dokumentiert werden. Falls eine Patientin oder ein Patient nicht zustimmt, müssen die Alten entweder gelöscht oder archiviert werden, entsprechend der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen.
Schweigepflicht bleibt bestehen: Der bisherige Therapeut oder die Therapeutin unterliegt weiterhin der Schweigepflicht und darf ohne die ausdrückliche Einwilligung der Patientin oder des Patienten in keiner Form Patienteninformationen an den Nachfolger oder die Nachfolgerin weitergeben.
Regelung der offenen Behandlungen: Laufende Behandlungen, die sich über den Zeitpunkt der Übernahme hinaus erstrecken, müssen mit den Patientinnen und Patienten besprochen werden. Zudem muss gegebenenfalls eine Übergabe mit dem Behandlungsplan an die neue Inhaberin oder den Inhaber erfolgen. Falls sich die Patientin oder der Patient gegen eine Weiterbehandlung bei der Nachfolgerin oder dem Nachfolger entscheidet, müssen alternative Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.
Rechte und Pflichten der neuen Praxisinhaberinnnen und -inhaber
Erlaubnis zur Weiterbehandlung einholen: Für die neue Inhaberin oder den neuen Inhaber besteht kein automatisches Behandlungsrecht. Die Patientinnen und Patienten müssen, nachdem sie von dem bisherigen Inhaber oder der Inhaberin über die Praxisübergabe informiert wurden, aktiv zustimmen, ob sie in dieser Praxis weiter behandelt werden möchten.
PatientInnen über Veränderungen informieren: Wichtige Informationen rund um die Führung der neuen Praxis sollten von Anfang an weitergegeben werden. Beispielsweise wenn es neue oder andere Behandlungsmethoden geben wird, welche Kassenverträge weiterhin bestehen oder ob sich die Öffnungszeiten und die Preise ändern. Eine transparente Kommunikation stärkt das Vertrauen der Patientinnen und Patienten und ist mitunter ein wichtiger Faktor dafür, dass sie sich für die Weiterbehandlung entscheiden.
Neue Datenschutzerklärungen und Behandlungsverträge: Stimmt eine Patientin oder ein Patient der Weiterbehandlung zu, benötigt der neue Inhaber oder die neue Inhaberin eine eigene Einwilligung zur Datenbearbeitung. Auch die Patienten- oder Behandlungsverträge sollten neu aufgesetzt und unterschrieben werden.
Archivierung alter Patientenakten: Die Akten von Patientinnen und Patienten, die nicht übernommen werden oder keine Einwilligung zur Datenweitergabe geben, müssen nach gesetzlichen Vorgaben aufbewahrt und/oder vernichtet werden.

Die Dokumentationspflichten für selbstständige Therapeutinnen und Therapeuten in Deutschland und Österreich sind umfangreich und streng geregelt. Wir geben dir einen Überblick über die wichtigsten Regelungen und Leitlinien.
Die freie Wahl: Die Position der Patientinnen und Patienten bei einer Praxisübernahme
Wie bereits erwähnt, haben die Patientinnen und Patienten die freie Wahl, ob sie nach einer Übernahme weiterhin in der bisherigen Praxis ihres Vertrauens behandelt werden möchten. Wir haben ihre Rechte und Pflichten im Zuge einer Praxisübernahme nochmals auf einen Blick zusammengefasst.
Freiwillige Entscheidung über Behandlerwechsel: Patientinnen und Patienten können sich frei entscheiden, ob sie bei der Nachfolgerin oder dem Nachfolger bleiben oder eine neue Therapeutin oder einen Therapeuten suchen möchten. Dieser Wechsel kann auch nach der ersten Behandlung erfolgen.
Akteneinsicht und Datenweitergabe beantragen: Patientinnen und Patienten haben – in Deutschland laut § 630g BGB und in Österreich laut § 8 DSG – das Recht, eine Kopie ihrer Patientenakte zu erhalten. Falls sie sich für eine neue Praxis entscheiden, können sie verlangen, dass ihre Akte an den neuen Therapeuten oder die neue Therapeutin übermittelt wird. Auch hier müssen natürlich die DSGVO-Richtlinien dringend beachtet werden.
Datenschutz und Widerrufsrecht: Wenn Patientinnen oder Patienten einer Aktenübertragung zugestimmt haben, haben sie trotzdem das Recht, diese später zu widerrufen. In diesem Fall darf die Nachfolgerin oder der Nachfolger keine weiteren Daten nutzen oder speichern.
Übernahme bestehender Behandlungskosten und Rezepte: Falls bei Patientinnen und Patienten eine laufende Therapie auf Kassenkosten besteht, kann es sein, dass die zuständige Krankenkasse eine neue Genehmigung verlangt (je nach Krankenkasse und Berufsgruppe). Privatpatientinnen und -patienten sollten prüfen, ob ihre Versicherung beim neuen Inhaber noch die gleiche Kostenübernahme gewährt.
Ein starkes Team: Übernahme einer Praxis mit angestellten Mitarbeitenden
Ein bestehendes Team zu übernehmen bietet viele Vorteile, da die Mitarbeitenden bereits eingespielt sind und für die Patientinnen und Patienten der Übergang bei einer Praxisübernahme so vielleicht etwas leichter fällt. Für die neue Therapeutin oder den neuen Therapeuten geht ein bestehendes Team aber auch mit bestimmten Pflichten einher.
Rechte der Mitarbeitenden: Gemäß § 613 BGB in Deutschland und § 3 AVRAG in Österreich gehen bei einer Praxisübernahme alle Arbeitsverträge automatisch auf die neue Inhaberin oder den neuen Inhaber über. Die Mitarbeitenden dürfen also nicht einfach wegen einer Übernahme entlassen werden und haben Anspruch unter den gleichen Arbeitsbedingungen weiterzuarbeiten. Das betrifft das Gehalt, Urlaubsansprüche oder auch die Arbeitszeiten.
Widerspruch der Übernahme: Mitarbeitende können der Übernahme in die neue Praxis auch widersprechen, was einer Kündigung beim neuen Inhaber oder der neuen Inhaberin gleichkommt.
Ausstehende Ansprüche: Bei der Übernahme der Mitarbeitenden bleibt der Resturlaub bestehen und muss vom neuen Arbeitgebenden übernommen werden. Bestehen noch offene Urlaubs- oder Überstundenansprüche müssen auch diese von der neuen Inhaberin oder dem neuen Inhaber übernommen werden. Aus diesem Grund ist unter anderem eine Prüfung von Altlasten vor einer Praxisübernahme so wichtig.
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