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Mehrsprachigkeit in der Sprachtherapie: Chancen, Herausforderungen und kultursensible Ansätze für Kinder

Mehrsprachige Kinder profitieren kognitiv und kulturell – bringen aber auch besondere Bedürfnisse in die Sprachtherapie mit. Einblicke in Herausforderungen und neue Ansätze.

In einer zunehmend globalisierten und sprachlich vielfältigen Welt ist Mehrsprachigkeit längst zur gesellschaftlichen Realität geworden – auch in Kindergärten, Schulen und Therapiepraxen. Immer mehr Kinder wachsen mit mehreren Sprachen auf und bringen damit nicht nur sprachliche, sondern auch kulturelle Ressourcen mit. Diese sprachliche Vielfalt kann zahlreiche kognitive, soziale und emotionale Vorteile mit sich bringen. Gleichzeitig stellt sie aber auch Fachpersonen in der Sprachtherapie vor neue Herausforderungen.

Wie kann Sprachförderung gelingen, wenn Kinder mit mehreren Sprachen und diversen kulturellen Hintergründen in die Therapie kommen? Welche Ansätze gelten als überholt – und welche als zukunftsweisend? Und welche Rolle spielen dabei gesellschaftliche Vorurteile, sprachliche Hierarchien und die Einbindung der Eltern?

Wir beleuchten zentrale Chancen und Herausforderungen im Umgang mit mehrsprachigen Kindern in der Sprachtherapie. Der Text gibt Einblicke in aktuelle Forschung, stellt kultursensible Konzepte vor und zeigt auf, wie sprachtherapeutisches Arbeiten im interkulturellen Kontext gelingen kann – ressourcenorientiert, reflektiert und praxisnah.


Mehrsprachige Kinder: Vorteile für die sprachliche und kognitive Entwicklung

In einer globalisierten Welt, die kulturell immer mehr zusammenwächst, ist Mehrsprachigkeit ein wertvolles Gut. Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, profitieren in vielerlei Hinsicht – sei es von zusätzlichen Chancen im Bildungs- und späteren Berufsleben, dem besseren Verständnis von und Austausch mit anderen Kulturen, als auch in der kognitiven Entwicklung. 

Kognitive Entwicklung

Mehrsprachige Kinder zeigen häufig eine besonders ausgeprägte kognitive Flexibilität. Sie lernen schon früh, zwischen verschiedenen Sprachsystemen zu wechseln – das stärkt ihre Fähigkeit, Perspektiven zu wechseln, komplexe Probleme zu analysieren und kreative Lösungen zu finden. Auch das Arbeitsgedächtnis, die Konzentration und die Fähigkeit zur Selbstregulation profitieren nachweislich vom Umgang mit mehreren Sprachen. Mehrsprachige Kinder tun sich oft auch leichter, neue Informationen zu verknüpfen und strukturiert zu verarbeiten – ein echter Vorteil in der schulischen und später beruflichen Laufbahn.

Sprachliche Sensibilität

Das frühe Erlernen mehrerer Sprachen fördert ein bewusstes Sprachgefühl. Mehrsprachige Kinder entwickeln oft ein besseres Gespür für Grammatik, Wortbildung und Satzstruktur – nicht nur in ihren eigenen Sprachen, sondern auch beim Erlernen weiterer Sprachen. Sie erkennen sprachliche Muster schneller und sind oft offen und neugierig gegenüber neuen Sprachformen. Langfristig haben sie dadurch eine solide Basis, um Fremdsprachen schneller und sicherer zu lernen.

Soziale und kulturelle Kompetenzen

Kinder, die mit mehreren Sprachen aufwachsen, entwickeln früh ein Verständnis für kulturelle Vielfalt. Sie erleben Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel, sondern auch als Teil von Identität, Werten und Weltanschauung. Das stärkt ihre Empathie, ihre Offenheit und ihre Fähigkeit, sich in multikulturellen Kontexten sicher zu bewegen. Mehrsprachigkeit fördert also nicht nur soziale Kompetenzen, sondern auch interkulturelle Sensibilität – wichtige Fähigkeiten für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben in einer vielfältigen Gesellschaft.

Berufliche Perspektiven

In einer globalisierten Welt sind Sprachkompetenzen Gold wert. Wer mehrere Sprachen beherrscht, hat oft bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt – nicht nur in internationalen Unternehmen, sondern auch in sozialen, pädagogischen, medizinischen oder kreativen Berufen. Mehrsprachige Menschen gelten als flexibel, teamfähig und kommunikationsstark – Eigenschaften, die in fast jedem Berufsfeld gefragt sind. Zudem eröffnen Sprachkenntnisse Wege in andere Länder, Netzwerke und Kulturen – und damit ein breiteres berufliches Spektrum.

Schutzfaktor für das Gehirn

Spannend, aber weniger bekannt: Studien zeigen, dass Mehrsprachigkeit im späteren Leben ein Schutzfaktor für das Gehirn sein kann. Mehrsprachige Menschen erkranken im Durchschnitt später an degenerativen Erkrankungen wie Demenz – vermutlich, weil das ständige „Umschalten“ zwischen den Sprachen das Gehirn fit hält und neuronale Reserven stärkt.

Identitätsentwicklung und emotionale Bindung

Sprache ist mehr als ein Werkzeug – sie ist Teil der eigenen Geschichte. Mehrsprachigkeit ermöglicht Kindern, sich mit verschiedenen kulturellen und familiären Hintergründen zu identifizieren. Sie können Verbindungen zu Großeltern, Verwandten und kulturellem Erbe aufrechterhalten – und gleichzeitig in der Gesellschaft ankommen, in der sie leben. Das fördert eine vielschichtige Identität, die nicht trennen, sondern verbinden kann. Kinder lernen so: Ich bin nicht entweder oder, sondern sowohl als auch.


Sprachtherapie neu denken: Herausforderungen und Perspektiven im Umgang mit Mehrsprachigkeit

Das Aufwachsen mit Mehrsprachigkeit wird natürlich auch von Herausforderungen begleitet. Während viele dieser Aspekte lange als Defizit bewertet oder zumindest kritisch betrachtet wurden, findet mittlerweile immer öfter ein Perspektivwechsel statt. Dieser bringt Betrachtungsweisen mit sich, die gerade für die sprachtherapeutische, logopädische und pädagogische Arbeit mit mehrsprachigen Kindern entscheidende Impulse setzen können. 

Vermischung der Sprachen und verzögerter Spracherwerb

Kinder, die mehrere Sprachen gleichzeitig lernen, mischen anfangs häufig Elemente dieser Sprachen: Sie kombinieren Wörter, Grammatik oder Aussprache auf individuelle Weise und wechseln spontan zwischen den Sprachen – je nach Situation, Kontext oder Gesprächspartnerin oder -partner. Auch kann der Erwerb der einzelnen Sprachen phasenweise langsamer verlaufen als bei einsprachig aufwachsenden Kindern.

Solche Sprachmischungen und scheinbaren Verzögerungen werden in traditionellen Sichtweisen häufig kritisch betrachtet – oft mit dem Vorwurf, das Kind sei überfordert oder „spreche keine Sprache richtig“. Diese Haltung ist jedoch überholt und geht häufig mit Stigmatisierung einher.

Eine moderne, inklusivere Perspektive auf dieses Phänomen bietet der Ansatz des Translanguaging, der insbesondere durch die Sprachwissenschaftlerin Ofelia García geprägt wurde. Dieser Zugang versteht Mehrsprachigkeit nicht als Aneinanderreihung klar getrennter Einzelsprachen, sondern als ein dynamisches, fließendes Sprachrepertoire, aus dem Kinder flexibel schöpfen.

Translanguaging beschreibt also den bewussten und kreativen Einsatz aller verfügbaren sprachlichen und nicht-sprachlichen Mittel, um sich auszudrücken, Wissen zu konstruieren, Bedeutung zu verhandeln und sprachliche Identität zu leben. Sprachwechsel und -mischungen werden in diesem Verständnis nicht als Defizit, sondern als normale, ressourcenorientierte Praxis in mehrsprachigen Lebenswelten angesehen.

Damit stellt Translanguaging einen realitätsnahen und entstigmatisierenden Zugang zur kindlichen Mehrsprachigkeit dar. Es rückt nicht künstlich getrennte Sprachsysteme in den Fokus, sondern die Art und Weise, wie Kinder tatsächlich Sprache(n) im Alltag nutzen – kreativ, strategisch und identitätsstiftend.

Ungleichgewicht zwischen den Sprachen

In mehrsprachigen Biografien ist es normal, dass Kinder nicht alle Sprachen gleich stark sprechen – sie entwickeln oft in einer Sprache umfassendere Fähigkeiten als in einer anderen. Dieses Ungleichgewicht ergibt sich aus dem Alltagskontext: Welche Sprache wird wie häufig gehört, gesprochen, gelesen, in welchen sozialen Räumen und mit welchen Gesprächspartner*innen?

Traditionell wurde dieses Phänomen schnell als Rückstand oder gar Sprachentwicklungsstörung interpretiert. Neuere Perspektiven schlagen jedoch eine flexiblere und realitätsnahe Sichtweise auf Sprachkompetenzen vor. Denn Sprachbeherrschung ist kontextabhängig: Ein Kind kann z. B. auf Deutsch über Dinosaurier reden, aber auf Arabisch mit der Oma über den Ramadan sprechen – beide Fähigkeiten sind wertvoll, aber nicht anhand allgemeiner Kriterien vergleichbar.

Ein zentraler Begriff in diesem Zusammenhang ist der der funktionalen Mehrsprachigkeit: Er hebt hervor, dass verschiedene Sprachen unterschiedliche Funktionen im Leben des Kindes erfüllen – etwa emotional, familiär, schulisch, religiös oder medial. Die einzelnen Sprachen sind also nicht defizitär, wenn sie weniger ausgeprägt sind, sondern haben unterschiedliche Rollen und Relevanz.

Statt einer Gleichverteilung sprachlicher Kompetenzen ist also eher das Ziel, die jeweiligen Sprachressourcen gezielt zu stärken und zu erhalten, je nach Lebenssituation, emotionalem Bezug und gesellschaftlicher Bedeutung. Logopädische und pädagogische Unterstützung kann dabei helfen, bestimmte sprachliche Bereiche zu erweitern – ohne dabei ein künstliches Gleichgewicht zu erzwingen.

Ein zusätzlicher Ansatz aus der Soziolinguistik ist das Konzept des sprachlichen Repertoires: Dieses betrachtet die Gesamtheit aller sprachlichen Mittel, über die ein Mensch verfügt – inklusive Dialekten, Umgangssprache, Fachsprache oder Zeichensprache. Auch hier steht nicht der Vergleich zu monolingualen Normen im Vordergrund, sondern die individuelle Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten.

Soziale Isolation und Identitätskonflikte

Wenn Kinder eine Sprache sprechen, die in ihrem sozialen Umfeld kaum vertreten ist, kann dies zu Schwierigkeiten in der sozialen Integration führen. Wird zum Beispiel zuhause hauptsächlich Arabisch oder Kurmandschi gesprochen, im Kindergarten aber ausschließlich Deutsch, fehlt Kindern unter Umständen die Möglichkeit, sich vollständig auszudrücken oder verstanden zu fühlen. Das kann zu Frustration, Rückzug oder dem Wunsch führen, die Herkunftssprache der Familie zu verdrängen.

Solche Situationen können sich auch auf das Selbstbild und die kulturelle Identität des Kindes auswirken. Ein stabiles mehrsprachiges Selbstverständnis braucht daher Räume, in denen alle Sprachen wertgeschätzt und gepflegt werden. Sprachliche Vielfalt ist nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesellschaftliches Thema. Mehrsprachigkeit ist kein „Sonderfall“, sondern in vielen Städten und Regionen längst Normalität. Trotzdem fehlt oft die gesellschaftliche Anerkennung – ein Problem, das zur sozialen Isolation beitragen kann.

Ein sprachsensibler und diskriminierungskritischer Ansatz betont, dass die Gefahr der Isolation nicht in der Mehrsprachigkeit selbst liegt, sondern in der gesellschaftlichen Abwertung bestimmter Sprachen und der mangelnden Repräsentanz. Strategien, um dem entgegenzuwirken, sind Begegnungen mit anderen mehrsprachigen Kindern, familiäre Netzwerke, gezielte Projekte in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen und die Vermittlung des Konzepts der Transkulturalität. Dieses Konzept betont, dass Identität nicht nur auf einer Kultur oder Sprache basiert, sondern dynamisch, hybrid und im Austausch entsteht.

Sprachliche Hierarchien und gesellschaftliche Abwertung

Ein weiterer zentraler Aspekt, der bereits kurz angesprochen wurde, ist die Erfahrung vieler Kinder, dass Sprachen in unserer Gesellschaft unterschiedlich bewertet werden. Während etwa Kinder, die neben Deutsch noch Englisch oder Italienisch sprechen, häufig Bewunderung erfahren, erleben Kinder mit Sprachen wie Türkisch, Bosnisch, Rumänisch oder Arabisch oft subtil oder offen geäußerte Ablehnung und Rassismus. Diese Hierarchien spiegeln gesellschaftliche Vorurteile wider und haben direkten Einfluss auf die Sprachbiografie: Kinder beginnen möglicherweise, sich für ihre Sprache zu schämen, sie zu verstecken oder gar zu verlernen.

Gerade in pädagogischen und therapeutischen Kontexten ist es daher wichtig, eine klare Haltung zu zeigen: Mehrsprachigkeit ist in jeder Form sehr wertvoll und alle Sprachen sind gleichwertig. Sie alle tragen kulturelle Geschichten, Identitäten und Wissen in sich. Nur durch eine solche Haltung kann Sprachvielfalt langfristig erhalten und gefördert werden.

Elterliche Unsicherheit und Fehlinformationen

Eltern mehrsprachiger Kinder stehen häufig vor der Frage, wie sie ihre Kinder bestmöglich unterstützen können – und werden dabei mit widersprüchlichen Meinungen konfrontiert. Manche fürchten, dass ihr Kind durch mehrere Sprachen verwirrt wird oder in keiner Sprache „richtig gut“ wird. Andere empfinden sozialen Druck, zu Hause ausschließlich Deutsch zu sprechen, auch wenn sie sich darin selbst nicht sicher fühlen.

Diese Unsicherheiten können zu einem Rückzug von der familiären Herkunftssprache führen oder zu Sprachstrategien, die nicht dem natürlichen Umgang entsprechen. Hier braucht es verständliche, alltagsnahe Informationen und Beratung – am besten von Fachpersonen, die kultursensibel und ohne Defizitblick arbeiten. Ziel ist es, Eltern in ihrer Rolle als Sprachvorbilder zu stärken und ihnen Mut zu machen, ihre Sprachen weiterzugeben.

Wichtig ist, im pädagogischen und therapeutischen Umfeld mit Eltern ressourcenorientiert zu arbeiten. Ihre eigene sprachliche und kulturelle Geschichte wird dabei als Stärke anerkannt. Dabei wird klar kommuniziert: Es gibt nicht „die richtige“ Art der Mehrsprachigkeit – jede Familienkonstellation ist individuell. Eltern sollen ermutigt werden, ihre „Herzenssprache“ mit dem Kind zu sprechen – das fördert emotionale Bindung und Identitätsentwicklung. Beim Prinzip der Language Awareness lernen Eltern beispielsweise auch, wie Sprache an sich funktioniert und wie sie ihre Kinder beim Spracherwerb unterstützen können. 


Therapieansätze im Wandel: Überholte Empfehlungen und aktuelle Erkenntnisse

Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, sind ebenso oft von Sprachentwicklungsstörungen betroffen wie einsprachige Kinder. Allerdings gibt es bislang nur begrenzte Forschung und Erfahrungen zur Diagnostik und Therapie bei mehrsprachigen Kindern – vor allem in Deutschland und Österreich. Die meisten hochwertigen und aussagekräftigen Studien kommen aus dem angloamerikanischen Raum. Häufig mangelt es an klaren Definitionen von SES, geeigneten Diagnostikverfahren für Mehrsprachige oder an zuverlässigen Methoden. Das führt häufig dazu, dass diese Kinder in der logopädischen Versorgung entweder nicht richtig eingeschätzt oder oftmals unzureichend unterstützt werden. 

Früher wurde häufig empfohlen, bei mehrsprachigen Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen (SES) die sprachliche Umgebung zu vereinfachen – z. B. durch die Reduktion auf eine Sprache oder durch das strikte Vermeiden von Sprachmischungen. Man befürchtete, dass ein Kind sonst überfordert werden könnte. Diese Sichtweise ist heute jedoch überholt: Studien haben gezeigt, dass mehrsprachige Umgebungen auch für Kinder mit SES oder kognitiven Einschränkungen förderlich sein können. Insbesondere das sogenannte Code-Switching, also das Wechseln zwischen Sprachen, wird mittlerweile als natürlicher und sogar unterstützender Bestandteil der Sprachentwicklung anerkannt.

Die Praxis der künstlichen Sprachtrennung (z. B. durch das One-Parent-One-Language-Prinzip) ist nicht evidenzbasiert und kann die Entwicklung sogar hemmen. Stattdessen sollte das natürliche Sprachverhalten der Familien in die Therapie einbezogen werden.


Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Die Rolle der Sprachenwahl in der Sprachtherapie

Internationale Fachgesellschaften empfehlen, dass sowohl Diagnostik als auch Therapie alle Sprachen eines Kindes einbeziehen sollten. In der Praxis wird jedoch meist nur auf Deutsch therapiert – vor allem wegen des Mangels an mehrsprachigen Therapeutinnen und Therapeuten oder geeigneten Materialien. Die Wahl der Therapiesprache ist damit in Österreich und Deutschland oft nicht an den individuellen Bedarf des Kindes angepasst, sondern an die vorhandenen Möglichkeiten

Interessanterweise kann die Therapiesprache Auswirkungen auf den Transfer haben: Beginnt die Therapie in der dominanteren Sprache (meist L1), verbessern sich die narrativen Fähigkeiten insgesamt stärker. Beginnt man in der schwächeren Sprache (meist L2), kann das positive Effekte auf das semantische Verständnis in beiden Sprachen haben.

Ein echter Transfer – also das Übertragen von Therapieerfolgen von einer Sprache auf eine andere – ist jedoch nur in bestimmten Bereichen (wie narrativen Fähigkeiten) nachweisbar. Beim Wortschatz hingegen zeigen sich solche Übertragungen kaum, und die Fortschritte sind oft kurzfristig und auf konkrete, geübte Wörter beschränkt.


Brücken bauen: Professionelle Übersetzungen und interkulturelle Kompetenzen

Der Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern oder Sprachmittlerinnen und Sprachmittlern kann bei Sprachbarrieren entlastend wirken. Allerdings fehlt es an klaren Qualitätsstandards und wissenschaftlicher Fundierung für ihren Einsatz in der Sprachtherapie. Entscheidender ist, dass Therapeutinnen und Therapeuten selbst über interkulturelle und linguistische Kompetenzen verfügen – inklusive Reflexionsfähigkeit und Offenheit für kulturelle Unterschiede

Kultursensibilität ist ein sehr wichtiger Aspekt in der sprachtherapeutischen Arbeit mit mehrsprachigen Kindern. Ein zentrales Anliegen von Expert:innen wie Wiebke Scharff Rethfeldt ist es, die Diagnostik von SES bei mehrsprachigen Kindern zu verbessern – besonders im Hinblick auf die Früherkennung. Bereits ab etwa 31 Monaten lassen sich Sprachentwicklungsstörungen (SES) zuverlässig feststellen, was angesichts möglicher Folgestörungen und der gesellschaftlichen wie individuellen Bedeutung frühzeitiger Unterstützung besonders wichtig ist.


Stereotype erkennen – und überwinden: Für eine vorurteilsfreie Sprachförderung

Zum Thema Kultursensibilität gehört vor allem auch, Vorurteile, Zuschreibungen und Stereotypisierungen unbedingt zu vermeiden. In der logopädischen Therapie geht es ausschließlich um die Förderung der Sprachentwicklung des Kindes – nicht darum, eigene Wertvorstellungen oder kulturelle Normen zu vermitteln. Umso wichtiger ist es, dass Therapeutinnen und Therapeuten reflektiert, vorurteilsbewusst und kultursensibel agieren.

Zwar ist es menschlich, in Mustern zu denken – aber einfache Annahmen führen oft zu Fehleinschätzungen. Beispielsweise wenn man von vornherein davon ausgeht, dass man bei Kindern, deren Eltern aus der Türkei stammen, auf Gelatine aufpassen muss oder dass das Kind gerne Baklava isst. Sinnvoller ist es, viele Fragen zu stellen und praktisch von einem weißen Blatt auszugehen. Welcher Religion die Familienmitglieder angehören und in welcher Form sie diese oder auch kulturelle Bräuche aus dem Herkunftsland in ihr tägliches Leben integrieren oder was das Kind am liebsten isst, lässt sich einfach erfragen. Auch eine Wir-vs.-Ihr-Dynamik ist zu vermeiden. Sätze wie „Wir sagen Schule, ihr sagt bestimmt ein anderes Wort“ schließen das Gegenüber sprachlich und sozial aus. Stattdessen zu fragen: „Kennst du noch ein anderes Wort dafür?” sorgt für wertschätzende und gleichberechtigte Integration

Neben dem Stellen von individualisierten Fragen ist vor allem die Selbstreflexion in diesem Zusammenhang wichtig. Eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen kulturellen Prägungen, Haltungen und Denkweisen 


Eltern als Schlüsselpartner: So gelingt die Einbindung im Therapieprozess

Die Einbindung der Eltern als Sprachvorbilder ist wichtig und wirksam. Dennoch ist die tatsächliche Beteiligung sehr unterschiedlich – auch abhängig von Spracheinstellungen. Manche Eltern halten trotz gegenteiliger Beratung an der Idee fest, nur Deutsch mit dem Kind zu sprechen, in der Hoffnung, dessen Sprachkompetenz zu verbessern. Das kann jedoch die familiäre Kommunikation erschweren und den Transfer therapeutischer Strategien behindern.

Die klare Empfehlung ist: Eltern sollten die Sprache sprechen, die sie am besten beherrschen – das stärkt den sprachlichen Input und unterstützt die emotionale Bindung zum Kind.


Mehr darüber lernen: Seminare und Fortbildungen zum Thema 

Sprachstörungen bei Mehrsprachigkeit 

Diagnostik, Therapie, Elternberatung

Datum: 25. und 26. Juli 2025
Uhrzeit: Freitag – 11.00 bis 18.30 Uhr | Samstag – 09.00 bis 16.30 Uhr 
Ort: ProLog Wissen GmbH | Olpener Straße 59 | 51103 Köln
Kosten: 300 Euro

Zur Anmeldung

Mehrsprachige Kinder mit Intelligenzminderung

Sprachliche Vielfalt logopädisch unterstützen!

Datum: 12. und 13. September 2025
Uhrzeit: Jeweils 09.00 bis 16.30 Uhr
Ort: Online
Kosten: 270 Euro – Frühbucherpreis Logopädie-Austria-Mitglieder | 320 Euro – Frühbucherpreis Nicht-Mitglieder | 350 Euro – Normalpreis Logopädie-Austria-Mitglieder | 400 Euro – Normalpreis Nicht-Mitglieder

Zur Anmeldung | Frühbucherpreis bei Buchung bis 15. Juli 2025

Mehrsprachigkeit in der Sprachtherapie

Aspekte vom Late Talker bis zur SES – Leitfaden Mehrsprachigkeit 

Datum: 12. und 13. September 2025
Uhrzeit: Freitag – 11.00 bis 16.30 Uhr | Samstag – 10.00 bis 15.30 Uhr 
Ort: Online
Kosten: 270 Euro

Zur Anmeldung

Sprachstörungen bei Mehrsprachigkeit

Diagnostik, Therapie, Elternberatung

Datum: 16. bis 18. Oktober 2025
Uhrzeit: Jeweils 08.30 bis 13.15 Uhr
Ort: Online
Kosten: 300 Euro

Zur Anmeldung

Mehrsprachige Kinder mit Intelligenzminderung

Sprachliche Vielfalt logopädisch unterstützen!

Datum: 14. und 15. November 2025
Uhrzeit: Freitag – 08.30 bis 16.45 Uhr | Samstag – 08.30 bis 15.00 Uhr 
Ort: Online
Kosten: 295 Euro

Zur Anmeldung

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