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Organ-on-a-Chip-Technologie: Die Zukunft der Medikamententests und Krankheitsforschung

Organ-on-a-Chip-Technologie simuliert menschliche Organe auf mikroskopischer Ebene. Sie revolutioniert Medikamententests und reduziert Tierversuche erheblich.

Medikamententests und Krankheitsforschung, präzise und ohne Tierversuche – Organ-on-a-Chip Technologie macht es möglich. Die OoC-Technologie ist eine innovative Methode zur Nachbildung der Struktur und Funktion menschlicher Organe auf mikroskopischer Ebene. Es handelt sich um mikrofluidische Chips, die winzige Kammern enthalten, in denen Zellkulturen verschiedener Organe nachgebildet werden können. Der Name „Chip“ bezieht sich dabei auf Größe und Aussehen eines Computerchips. Tatsächlich sind Zellkultur-Einsätze üblicherweise in einen Plastikrahmen eingebettet. Ziel dieser Technologie ist es, physiologische Prozesse und Funktionen eines Organs in einem kontrollierten Laborumfeld zu simulieren, um komplexe biologische Vorgänge besser zu verstehen und zu erforschen.

Organische Realität in Miniaturform

Am Beispiel des Organs Haut genauer erklärt: Forscherinnen und Forscher isolieren Hautzellen aus einer Spende, züchten damit im Labor ein künstliches, dreidimensionales Hautmodell und setzen dieses in Miniaturform auf einen Chip. Als „mikrofluidisch“ werden die Systeme deshalb bezeichnet, weil auf den Chips tatsächlich Flüssigkeiten durch kleine Kanäle fließen, die dem Blut- und Nährstofffluss in echten Organen ähneln. So kann die Mikroumgebung eines Organs möglichst realitätsnah nachgebildet werden. Auch mechanische Kräfte wie beispielsweise das Pumpen des Herzens oder die Dehnbewegungen der Lungen können auf dem Chip nachgeahmt werden.

Anwendungsgebiete der OoC-Technologie

Eingesetzt wird die Organ-on-a-Chip-Technologie, um die Wirkung von Medikamenten auf die Organe zu testen. Sie schließen somit die Lücke zwischen traditionellen Tierversuchen und klinischen Tests an menschlichen Zellen und in weiterer Folge am Menschen. Ein Großteil der Tests, die an Tieren und menschlichen Zellen erfolgreich sind, funktionieren am Ende nicht beim Menschen. Bis dahin wurde allerdings schon sehr viel Geld in die Forschung und Erprobung gesteckt. Die Chips haben das Potenzial, die Kosten und Entwicklungszeit der pharmazeutischen Forschung zu reduzieren und in weiterer Folge unnötige Versuche an Tieren zu minimieren.

Forscherinnen und Forscher können mittels der Organ-on-a-Chip-Technologie auch ein „krankes“ Organ modellieren, um neue Therapieansätze zu testen. Dies wird vor allem bei seltenen und derzeit noch schwer behandelbaren Krankheiten als große Chance gesehen, um in der medizinischen Forschung und Entwicklung schneller voranzukommen. Die Forschung wird dank OoC-Technologie nicht nur spezialisierter, sondern tatsächlich auch individueller. So können Chips mit Zellen einer bestimmten Patientin oder eines Patienten bestückt werden, um maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln, die optimal auf das Individuum zugeschnitten sind.

TissUse

Noch weiter gehen Unternehmen wie TissUse, die eine bahnbrechende und patentgeschützte Human-on-a-Chip-Technologieplattform entwickelt haben. Ein Medikament wirkt nicht nur hoffentlich lindernd auf die Krankheit, sondern kann sich mit der Zeit auch negativ auf den Darm, die Leber oder die Nieren auswirken. Auf den Chips von TissUse können gleich mehrere Organmodelle miteinander kombiniert werden und so zum Beispiel der Durchlauf eines Medikaments durch den menschlichen Körper simuliert und beobachtet werden.

AlveoliX

Das Berner Start-up AlveoliX hat ein Lungen-on-a-Chip-Modell entwickelt, das die biophysikalische Mikroumgebung der Luft-Blut-Schranke in der menschlichen Lunge realitätsnah nachbildet. Es simuliert auch die mechanische Belastung, die durch das Ein- und Ausatmen entsteht. Dieses Modell soll dazu beitragen, die Wirkung von Atemwegsmedikamenten im menschlichen Körper genauer vorherzusagen und dadurch die Anzahl klinischer Studien zu reduzieren.

Dynamic42

Das Unternehmen Dynamic42 aus Jena ist ein weiterer Spezialist für Organ-on-a-Chip-Technologie und hat sein Portfolio 2023 um das DynamicOrgan System erweitert. Mit dem Developers Kit können Labore kosteneffizient Organs-on-Chips anlegen, indem sie mit vorhandenen Geräten wie beispielsweise Pumpensystemen kompatibel sind. Die Modelle von Dynamic42 bilden komplexe Interaktionen im Körper nach, einschließlich aller beteiligten Zelltypen wie Immunsystemzellen sowie Pathogenen und Mikroorganismen des Mikrobioms. Die verwendeten Biochips enthalten Mikrokanäle, Pumpen und Ventile, die die Zellen mit Nährstoffen oder Blut versorgen und ermöglichen direkte Tests an Zielgeweben. Dynamic42 bietet dabei Modelle für Darm, Lunge, Leber und Gefäßsysteme an.

Mimetas

Das niederländische Unternehmen Mimetas ist bekannt für die Entwicklung der OrganoPlates, mikrofluidische Zellkulturplatten, die die Kultivierung und das Screening zahlreicher Organmodelle und physiologisch relevanter Gewebe ermöglichen. Mit Hilfe dieser Platten hat Mimetas bereits eine Vielzahl von Organ-on-Chip-Modellen entwickelt, darunter für die Nieren und den Darm.

Chiron

Chiron ist ein Organ-on-Chip-Unternehmen, das eine patentierte Technologie zur mechanischen Stimulation menschlicher Zellen entwickelt hat, die zur Schaffung eines In-vitro-Gelenkmodells zur Untersuchung von Rheuma und Osteoarthritis verwendet wird. Sie sind so in der Lage, eine mechanische Stimulation durchzuführen und gleichzeitig die Zellen unter dem Mikroskop zu beobachten. Dies ermöglicht den Zugriff auf entscheidende Informationen, die für die Entwicklung von Medikamenten, Zelltherapien und die wissenschaftliche Forschung von großer Bedeutung sind. Chirons erste Produktlinie fokussiert sich auf die Nachbildung des menschlichen Gelenks, insbesondere des Kniegelenks.

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